Universität Bern: Je wärmer eine Region, desto grösser die Artenvielfalt

Bild Rechte: 
Universität Bern

(Bern)(PPS) Warum ist die Vielfalt von Tieren und Pflanzen auf der Erde so unterschiedlich verteilt? Zu dieser alten Kernfrage der Ökologie legt eine von Forschern aus Bayreuth und Bern initiierte und von der Universität Würzburg geleitete internationale Forschungsgruppe neue ​Daten vor. Für eine hohe Biodiversität ist demnach vor allem die Temperatur verantwortlich.

In den arktischen Regionen der Erde bleibt die Vielfalt an Tieren und Pflanzen relativ überschaubar. Die tropischen Gegenden dagegen bersten geradezu vor einer Fülle unterschiedlichster

Lebewesen. Dort werden sogar immer wieder neue Arten entdeckt. Wodurch kommt dieses Ungleichgewicht zustande? Warum gibt es in den Tropen mehr Arten als in den höheren Breiten? «Das ist eine Kernfrage der Ökologie», sagt Professor Ingolf Steffan-Dewenter von der Universität Würzburg.

Mehrere Hypothesen im Umlauf

Bis heute wird über diese Kernfrage kontrovers diskutiert. Eine Hypothese ist zum Beispiel, dass die Primärproduktivität eines Lebensraums am Ende über die Anzahl der Arten dort entscheidet. Vereinfacht gesagt: «Von einem grösseren Kuchen können sich mehr Arten ernähren als von einem kleinen Kuchen», so der Würzburger Ökologe Dr. Marcell Peters. Eine andere Hypothese gehe davon aus, dass Evolutionsraten und Artbildung von der Temperatur abhängen. Demnach existieren in einem wärmeren Klima mehr Arten als in einem kalten.
Untersucht wurden diese Hypothesen bisher meist anhand bestimmter Artengruppen: Die Studien betrachteten zum Beispiel nur Vögel, Bienen, Ameisen oder Farne und analysierten deren Vielfalt in verschiedenen Regionen der Welt – etwa in Nordamerika, Europa oder entlang des Höhenunterschieds in den Alpen. «In der einen Studie fand man diese, in der anderen Studie jene Hypothese gestützt», so Peters. Doch von einer «allgemeinen Regel», auf die man in der Ökologie abziele, sei man weit entfernt.

Am Kilimandscharo einzigartige Studie erarbeitet

Das Team der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Forschergruppe FOR1246 stellt nun im Fachblatt «Nature Communications» eine neue Studie vor, die bislang einzigartig ist und in der vier Jahre Arbeit stecken: «Wir haben auf einem der grössten Klimagradienten der Erde, am Kilimandscharo, so viele Tier- und Pflanzengruppen wie nie zuvor parallel betrachtet», sagt der Forscher.

Insgesamt hat das Team acht Gruppen von Pflanzen und 17 Tiergruppen untersucht, angefangen von Bienen bis hin zu Fledermäusen. 38 Wissenschaftler aus Deutschland, Tansania, der Schweiz und anderen Ländern waren beteiligt, dazu kamen vor Ort rund 50 Fahrer, Träger und andere Hilfskräfte. «Um manche Flächen zu erreichen, waren Bergwanderungen von mehreren Tagen nötig», so Peters.
Das Studiengebiet erstreckte sich von den Savannen am Fuss des Berges bis zu den Lebensräumen auf einer Höhe von 4550 Metern, wo Pflanzen gerade noch wachsen können. «Die Daten über alle Gruppen wurden jeweils auf den gleichen Flächen und in der gleichen Zeit erhoben», wie Prof. Markus Fischer von der Universität Bern betont, der die Forschergruppe mit PD Dr. Andreas Hemp von der Universität Bayreuth initiiert hat. «So konnten wir nicht nur den Artenreichtum einzelner Gruppen analysieren, sondern den ganzer Lebensgemeinschaften.»

Vielfalt steigt mit der Temperatur

Dabei kam heraus, dass die gesamte Artenvielfalt in Lebensgemeinschaften alleine durch die Temperatur bestimmt wird. Je wärmer es ist, umso grösser fällt die gesamte Vielfalt aus. «Betrachtet man einzelne Gruppen von Tieren und Pflanzen, so findet man auch am Kilimanjaro unterschiedliche Muster, je mehr Gruppen man aber gleichzeitig betrachtet, desto stärker nimmt die Bedeutung der Temperatur für die Erklärung der Artenvielfalt zu, während die Bedeutung aller anderen Variablen entsprechend abnimmt.» 

Das sehen die Wissenschaftler als starkes Indiz dafür, dass es tatsächlich die Temperatur ist, die über die Biodiversität bestimmt, und nicht die Produktivität oder die Grösse von Lebensräumen.

Publikationsangaben

Peters et al. (2016) Predictors of elevational biodiversity gradients change from single taxa to the multi-taxa community level. Nature Communications 7: 13736, DOI 10.1038/ncomms13736.

Kontakt

Prof. Dr. Markus Fischer, Institut für Pflanzenwissenschaften,

Universität Bern, Telefon +41 31 631 49 43, +41 78 875 95 62, markus.fischer @ ips.unibe.ch

Pressekontakt: 

Universität Bern
Corporate Communication
Hochschulstrasse 6
3012 Bern/Schweiz

Tel. +41 31 631 80 44