Studienergebnis "Was Frauen wirklich wollen?"

Welche Faktoren entscheiden über die Attraktivität von Schweizer Unternehmen für hochqualifizierte Frauen?

(Dättlikon)(PPS) Seit Jahren nimmt der Anteil an Frauen unter den Absolventinnen von Betriebs-, Volkswirtschaft- und Jurisprudenz-Studiengängen stetig zu und beträgt an vielen Hochschulen bereits über 50 %. Trotzdem belegt die Schweiz in Bezug auf das Arbeitsvolumen der Frauen in Europa einen der letzten Plätze und der Schweizer Wirtschaft fehlen die gut qualifizierten Fachkräfte. Woran liegt es, dass trotz der grossen Anzahl an Absolventinnen die Wirtschaft nicht in der Lage ist, dieses Potential besser abzuschöpfen?

Die von uns durchgeführte Untersuchung bei über 780 sehr gut ausgebildeten Frauen sowie bei hochrangigen HR-Vertretern und –Vertreterinnen der wichtigsten 120 Arbeitgeber in der Schweiz zeigt auf, dass die tiefere Anerkennung von Teilzeitarbeit ein Hauptgrund für das Zurückbleiben der hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen (und Arbeitnehmer) auf der Karriereleiter ist. Frauen sind von dieser „Teilzeitfalle“ mehr betroffen, weil sie aufgrund der Kinder eher ein reduziertes Pensum eingehen als Männer. Allein schon die grössere Wahrscheinlichkeit, dass eine Mitarbeiterin ihr Arbeitspensum reduzieren werden wird, bringt ihr Karrierenachteile. Unternehmen können mit der Bereitstellung neuer Arbeitsformen sowie einer grundsätzlich selbstverständlicheren Gleichberechtigung (Diversity 3.0.) diesen Problemen begegnen. Teilzeit darf nicht als minderwertig gelten. Teilzeit darf kein Karrierehindernis sein, weder in Bezug auf die hochqualifizierten Frauen, noch in Bezug auf die Männer. Neue, flexiblere Arbeitsmodelle auf allen Stufen, welche alle Karrierechancen offenlassen, müssen aktiv nach aussen getragen und unternehmensintern gelebt werden.

Für viele hochqualifizierte Frauen steht der Beruf gemäss unserer Umfrage nicht an erster Stelle: Sie entscheiden sich unter Umständen aktiv gegen einen beruflichen Aufstieg, wenn sie für ihr Hobby, ihre Work-Life Balance oder ihre Familie zu viele Kompromisse eingehen müssten. Besonders Eltern von schulpflichtigen Kindern stehen vor der Frage Familie oder Karriere? Denn die Betreuung schulpflichtiger Kinder während den Ferien ist vielerorts ein ungelöstes Problem. Nur wenige Unternehmen haben erkannt, dass auch sie einen wesentlichen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten und damit ein grosses Potential hochqualifizierter Frauen für sich gewinnen könnten.

Was können Unternehmen konkret unternehmen um Ihre eigene Arbeitgeberattraktivität bei hochqualifizierten Frauen nachhaltig zu verbessern? Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse empfehlen wir grösseren Unternehmen folgenden 5-Punkte-Plan:

1. Leitbild anpassen

Verankerung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Leitbild

2. Anerkennung Teilzeitarbeit

Teilzeitarbeit den gleichen Stellenwert einräumen (Karrierechancen und Lohngleichheit)

3. Flexibilisierung

Örtliche- und zeitliche Flexibilisierung der Arbeit ausbauen, Performance Management anpassen

4. Engagement Kinderbetreuung

Engagement im Ausbau von Betreuungsangeboten für schulpflichtige Kinder (insbesondere für die Ferienzeit)

5. Kommunikation

Top-Management Commitment, aktive Kommunikation der getroffenen Massnahmen nach innen wie nach aussen

In vielen Leitbildern von Schweizer Unternehmen finden sich Absichtserklärungen wie „Wir wollen die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für uns gewinnen“ oder „Zusammen mit unseren Mitarbeitenden entwickeln wir uns …“. Dahinter steht selbstverständlich die berechtigte Überzeugung, dass erfolgreiche Unternehmen primär aufgrund ihrer Mitarbeitenden prosperieren. Das Arbeitsleben muss aber im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Privat- und Familienleben optimiert werden. Dieses Ziel gehört in das öffentlich zugängliche Leitbild des Unternehmens. Damit wird nach aussen wie nach innen klar signalisiert, dass diesem Thema gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird. Vielen Frauen ist dies wichtig und entsprechend beachten sie es bei der Auswahl eines neuen Arbeitgebers.

Unsere Umfrageergebnisse wie auch die Literatur sind sich einig: Teilzeitarbeit ist ein zentraler Punkt in der Gestaltung der heutigen Arbeitswelt. Kein Unternehmen kann es sich heute mehr leisten, den Stellenwert der Teilzeitarbeit durch verminderte Aufstiegschancen oder tieferen Lohn zu diskriminieren. Die Teilzeitarbeit bietet den Unternehmen die Chance, die besten Frauen an sich zu binden. Teilzeitarbeit muss aber auch die Männer einbeziehen. Wird Teilzeitarbeit auf breiter Front zur Normalität und auch von weiblichen und männlichen Führungskräften gelebt, bietet sich dem Unternehmen die Chance, den zukünftigen demographischen Gegebenheiten vorbereitet entgegenzutreten. Viele ältere Arbeitnehmende werden im heute üblichen Pensionsalter bereits an Teilzeitarbeit gewohnt sein und werden so in einem fliessenderen Prozess von der Arbeitswelt in den (nach hinten verschobenen) Ruhestand überführt werden können. Diese Entwicklung wird nicht nur der Gesellschaft als Ganzes, sondern auch den Unternehmen und insbesondere den Frauen zugutekommen.

Das bereits in vielen Unternehmen vorhandene zeitlich und örtlich flexible Arbeiten muss weiter ausgebaut werden. Hochqualifizierten Frauen ist dieses Kriterium für eine Arbeitsstelle besonders wichtig. Sie stehen unter ständigem Druck, auch die anderen Stakeholder in ihrem Leben zufriedenzustellen. Diesen Druck können sich die Frauen durch flexible Arbeitsbedingungen reduzieren. Unternehmen müssen daher in diesem Bereich noch weiter nach innovativen Lösungen streben. Wichtig ist, dass auch das Performance Management auf die flexiblen Arbeitsformen ausgerichtet wird. An konsequentem „Management by Objectives“ wird kein Weg vorbeigehen. Mit flexiblen Arbeitsbedingungen können die Unternehmen sich heute noch profilieren oder aber bei Untätigkeit ganz schnell in der grauen Masse des Durchschnitts versinken.

Kinder im schulpflichtigen Alter stellen in Karrierehinsicht für hochqualifizierte Frauen noch immer eine grosse Herausforderung dar. Das liegt vor allem an dem weiterhin mangelhaft ausgebauten und in der Gesellschaft ungenügend verankerten Betreuungsangebot ausserhalb der Schule. Gerade hier können sich Unternehmen durch Engagement bei Freizeit- und Ferienangeboten hervorheben. Grosse Unternehmen sollten in Kooperation mit der öffentlichen Hand Ferienangebote anbieten, die bei den Jugendlichen als attraktiv wahrgenommen werden und die das positive Image des Unternehmens stärken.

Interne wie auch externe Stakeholder sollen vom gelebten Engagement eines Unternehmens erfahren, denn sonst haben die ganzen Anstrengungen kaum Einfluss auf die Arbeitsmarktattraktivität. Wird extern nicht genug ausführlich redaktionell darüber berichtet, so könnte eine eigens auf dieses Thema fokussierte Werbekampagne als Alternative in Erwägung gezogen werden. Hochqualifizierte Frauen schauen ganz genau hin, wie sich ein Unternehmen in Bezug auf die nach aussen getragene Kultur (beispielsweise via Leitbild) effektiv auch verhält und wie sich das Top-Management hierzu intern wie auch extern äussert. Wenn hervorragende Mitarbeiter entscheidend für den Erfolg sind, äussern der Verwaltungsratspräsident und der CEO dies auch ab und zu in der Öffentlichkeit? Viele Unternehmen geben sich aufgeschlossen hinsichtlich flexibler Arbeitsmodelle. Gerne werden diese in einem Anflug modernen Arbeitgebertums in der Öffentlichkeit propagiert. Doch wer tut wirklich etwas? Folgen den Worten auch Taten und besteht eine ausreichende Glaubwürdigkeit des Managements in dieser Hinsicht? In einer integren, nachhaltigen Umsetzung von flexiblen Arbeitsformen, gelebt und unterstützt von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, wird der Erfolg liegen!

Fazit:

Frauen sind in Managementpositionen in der Schweiz nach wie vor klar untervertreten. Die Ansprüche daran haben sich in den vergangenen Jahren aber stark verändert. Mit mehr Krippenplätzen, Frauenquoten, Frauennetzwerken und weiteren Massnahmen, die wir in ihrer Gesamtheit mit Diversity 2.0 bezeichnen, lässt sich das Problem allein nicht lösen. Sie werden nicht ausreichen, um den Frauen wirklich gleich lange Spiesse in der Arbeitswelt zu geben. Dafür bedarf es eines breiteren Ansatzes: Die Wirtschaft muss die Hürden abbauen, die Männer bislang daran hinderten, ihr Rollenverständnis in einer gleichberechtigten, neuen Welt des Arbeitens zu finden. Diversity 3.0 führt zu einer selbstverständlichen Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen im Arbeitsleben, sei dies in Bezug auf Teilzeitarbeit, Mutter- beziehungsweise Vaterschaftsurlaub und ganz besonders in Bezug auf die partnerschaftliche Kinderbetreuung. Die in Managementpositionen nachrückende Generation Y ist lustgetriebener, digitalisierter, tendenziell kritisch gegenüber Hierarchien eingestellt, besser ausgebildet und aufgeschlossener, was die Rollenbilder von Mann und Frau sowie die entsprechende Familienbetreuung anbelangt. Diese Generation wird flexiblere Arbeitsmodelle einfordern, für Männer wie für Frauen. Teilzeitarbeit wird vermehrt gewünscht werden, ohne dass dabei das persönliche Weiterkommen beeinträchtigt wird. Wir können diese Entwicklung bei Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) bereits heute feststellen. „Old-Economy“ Unternehmen werden hiervon auch betroffen sein, vielleicht aber etwas später. Die Entwicklung ist unaufhaltsam und kann von grossen Unternehmen entweder proaktiv angegangen werden, beispielsweise mittels des vorgängig beschriebenen 5-Punkte-Plans, oder aber sie reagieren in ein paar Jahren unter dem Druck des Arbeitsmarktes und werden dann diesbezüglich keinerlei Profilierungs- und Differenzierungsmöglichkeiten mehr haben.

Wir, die Autoren, sind überzeugt, dass viele renommierte Schweizer Arbeitgeber in den kommenden Jahren ihre Arbeitsmodelle stark, wenn nicht sogar radikal überarbeiten werden, um ihre
Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt für hochqualifizierte Frauen und Männer zu erhöhen und so für die Zukunft gewappnet zu sein.

LINK zur vollständigen Studie

Firmenportrait: 

Zur Studie:

Die vorliegende Studie wurde im Rahmen einer Masterthesis im executive MBA Lehrgang der Universität Zürich, am Lehrstuhl für Human Resources (Prof. Dr. Bruno Staffelbach) erstellt.

Die Autoren:

Yves von Ballmoos (42) schloss 1999 sein Studium in Betriebswirtschaft an der HWV in Winterthur (später ZHAW) ab, nachdem er eine kaufmännische Lehre bei der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt abgeschlossen und anschliessend 2 Jahre im Rohstoffhandel gearbeitet hat. Ab 2000 war Yves von Ballmoos im Designmöbelhandel tätig, erst in Deutschland, anschliessend für die Zingg-Lamprecht AG in Zürich, wo er 2002 die Geschäftsführung mit einer Minderheitsbeteiligung und wenige Jahre später die gesamten Aktien übernahm. 2014 verkaufte Yves von Ballmoos die Zingg-Lamprecht AG an eine Investorengruppe und ist seither als Business Angel, Verwaltungsrat und Berater tätig.

Dr. Philipp Schütt (47) legte 1994 sein Staatsexamen in Humanmedizin an der Universität Zürich ab. Nach verschiedenen Ausbildungsstellen in Schweizer Spitälern schloss er 2000 seine Ausbildung als Anästhesist mit dem entsprechenden Facharzttitel für Anästhesiologie ab. Philipp Schütt ist heute Stv. ärztlicher Leiter Anästhesie und Intensivmedizin an der Hirslanden Klinik im Park in Zürich.

Pressekontakt: 

Yves von Ballmoos
Lärchenstrasse 1
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Tel: 079 417 25 03
www.yvb.ch