Jugendvorstossrechte mobilisieren für eine politische Teilnahme, aber es gibt sie erst auf Gemeindeebene

(Aarau)(PPS) Das Jugendvorstossrecht existiert bereits seit über zwanzig Jahren. Dennoch ist es noch nicht sehr bekannt. Die erste detaillierte Untersuchung dieses politischen Rechts zeigt, dass es sich besonders gut dafür eignet, Jugendliche nachhaltig für eine politische Mitwirkung zu motivieren. Die Studie wurde am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) durchgeführt und basiert vor allem auf einer Analyse in den Gemeinden des Kantons Bern.

Mit Greta Thunberg und den Klimastreiks wird die Frage nach den Möglichkeiten von politischer Teilhabe Jugendlicher wieder virulenter. Manche fordern eine Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre. Einige Städte haben den Forderungen der Streikenden folgend den Klimanotstand ausgerufen. Welche Mitwirkungsmöglichkeiten sieht das Recht vor? Welche Instrumente stehen Jugendlichen zur Verfügung?

Eine neue Untersuchung am Zentrum für Demokratie Aarau nimmt das Jugendvorstossrecht in den Blick. Dieses existiert bereits seit über zwanzig Jahren, ist allerdings noch nicht sehr bekannt. Die Anwendung ist einfach: Die Jugendlichen reichen einen Vorstoss bei den Gemeindebehörden ein und das Parlament nimmt sich der Motion oder dem Postulat an. Beschliesst das Parlament die Erheblicherklärung, ist die Regierung in der Pflicht und muss dem Anliegen nachkommen.

Das Vorstossrecht gibt es nur auf Gemeindeebene

Das Jugendvorstossrecht existiert in zwei Varianten: Zum einen als direktes Vorstossrecht, indem sich eine Gruppe Jugendliche informell zusammenschliesst und den Vorstoss direkt bei der Gemeinde einreicht. Zum anderen sieht das indirekte Vorstossrecht vor, dass der Vorstoss über die Institution des Jugendparlaments eingereicht wird. Beide Formen existieren nur auf Gemeindeebene, nicht in Kantonen und Bund. Insbesondere beim Bund stösst die Einführung dieses Rechts auf taube Ohren.

Die Resultate der Studie

  • Jugendliche sind gewillt, sich für spezifische Themen politisch einzusetzen. So geht die Gründung von Jugendparlamenten häufig auf ihre Eigeninitiative zurück, nicht auf jene der Gemeinden. Die Institutionen, die es für eine Mitwirkung mancherorts braucht, werden «Buttom-up» installiert, nicht «Top-down». Auch machen Jugendliche Gebrauch vom Vorstossrecht, sofern sie es haben.
  • Das Vorstossrecht über ein Jugendparlament, das indirekte Vorstossrecht, ist besonders geeignet, Jugendliche nachhaltig für eine politische Mitwirkung zu motivieren. Zu bedenken ist allerdings, dass die Hürde für eine Beteiligung hier höher ist als beim direkten Vorstossrecht: Zuerst müssen Jugendliche mit einer Forderung Mitglied des Jugendparlaments werden, dann gemeinsam einen Vorstoss erarbeiten und bei der Gemeindepolitik einreichen. Motivierend beim direkten Vorstossrecht ist eine tiefe Unterschriftenzahl. Dasselbe gilt für verkürzte Behandlungsfristen, wie sie zum Beispiel die Stadt Bern vorsieht.
  • Das Jugendvorstossrecht ist wenig bekannt. In einigen Gemeinden wurde es noch gar nie genutzt. Hier wäre es angezeigt, dass die Schulen und Gemeinden besser darüber informieren. Weil Jugendliche angesprochen sind, sollten die Regeln – noch stärker als in anderen Fällen – einfach und unmissverständlich formuliert sein. Dies trifft auf einige der untersuchten Gemeinden nicht zu.

Die Zeit für eine Einführung auf Kantonsebene ist reif

Das Jugendvorstossrecht ist in den über zwanzig Jahren seines Bestehens eine etablierte und bewährte Massnahme zur Förderung der politischen Mitwirkung von Jugendlichen geworden. Die Zeit für eine Einführung des politischen Instruments auf Kantonsebene ist reif. «Unechte Vorstossrechte» mit keiner oder geringer Verbindlichkeit, wie sie derzeit vereinzelt bestehen, können zu Frustration der beteiligten Jugendlichen führen und ein weiterführendes Engagement verhindern.

Die Publikation
Bucher, Nevin Martina (2019): «Jugend und Politik. Das Jugendvorstossrecht in den Gemeinden». Zürich: DIKE Verlag.

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Das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) ist ein Forschungszentrum der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz mit Sitz in Aarau. Weitere Träger sind der Kanton Aargau und die Staat Aarau. www.zdaarau.ch

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