Geiz ist ungeil
(Thalwil) Der Markt verändert sich Tag für Tag und dies immer schneller. Was früher der Rat des Fachmanns war, ist heute das Internet. Die Konsumentinnen und Konsumenten informieren sich heute online und viele kaufen auch so. Traditionsreiche Fachgeschäfte scheinen Mühe zu haben, mit dem schnellen Wandel der letzten Jahre Schritt zu halten. Doch er ist nötig, sonst droht der Untergang.
von Rolf Fleckenstein
Der Markt hat sich verändert, allem voran das Konsumverhalten der Menschen, das bekommt auch der Sporthandel unsanft zu spüren. Insbesondere traditionsreiche Sportfachgeschäfte, die während Jahrzehnten gewachsen sind, stehen plötzlich vor dem Aus. Ein trauriges Beispiel ist der Kost Sport in der Basler Innenstadt, der auf Anfang 2015 sein Geschäft nach beinahe 150 Jahren Existenz aufgeben musste. Viele Faktoren tragen zum Zerfall der Detailhändler bei, seien es gesunkene Margen, die billige Konkurrenz aus dem Ausland, die im Internet während 24 Stunden erreichbar ist oder seien es die grossen Discountketten, die mit tiefen Preisen und langen Ladenöffnungszeiten die Kunden abholen.
Der Kunde von heute hat andere Prioritäten
Allem voran steht aber der Konsument. Es scheint, dass sich die Prioritäten beim Schweizer Konsumenten verschoben haben. Früher galt der Fachhandel als vertrauenswürdige Adresse, bei welchem man gut beraten wurde und hochwertige Ware erhielt. Es gab aber auch überhaupt keine Alternative dazu weder in Sachen Fachkompetenz noch in Sachen Einkauf. Doch die Beratungskompetenz, die Information und die Qualität stehen heute nicht mehr im Vordergrund. Insbesondere die Informationen über ein Produkt gibt’s tausendfach im Netz, und das gratis, wozu also einen Händler fragen, der verkauft ja eh nur seine eingekaufte Ware? Die vergangenen Jahre der Euro-Problematik und der Finanzkrise haben offensichtlich Spuren hinterlassen. Priorität hat heute der Preis. Der Konsument ist preissensibler denn je. Der Preis, der Preis und dann nochmals der Preis, das ist offenbar das Motto des Konsumenten von heute und da können alteingesessene Fachhändler mit hohen Preisen, altbackenen Öffnungszeiten und schlechteren Einkaufskonditionen immer weniger mithalten. Gerade hier schlagen im Inland die Discounter zu, die dank tieferer Preise mehr und mehr Fachhändler verdrängen, und auch die Geschäfte im benachbarten Ausland, die mit günstigen Preisen tausende Schweizer anlocken. Auch das komplizierte Gebaren “ich muss bestellen hier, sie müssen wiederkommen da” macht das Shoppen für den Konsumenten mühsam, insbesondere wenn er es einfacher und bequem im Internet bestellen kann. Und Ladenöffnungszeiten bis 18.00 Uhr unter der Woche und bis 16.00 Uhr am Samstag sind absolut out, das will kein Kunde mehr mitmachen. Das bestätigt mir im Gespräch auch Roman Oberholzer, Geschäftsführer von Och Sport an der Zürcher Bahnhofstrasse: “Auch wir beobachten, dass sich der Einkauf der Leute immer stärker in den Abend verschiebt und man kann sich überlegen, das Geschäft später aufzuschliessen. Auch wir haben unlängst unsere Öffnungszeiten angepasst.”
Das veränderte Kaufverhalten der Konsumenten betrifft natürlich nicht nur die Sportbranche. In vielen Städten und Dörfern beobachtet man dasselbe Bild: Traditionelle Fachhändler verschwinden und übrig bleibt ein leeres Schaufenster und die Stadt wird leerer und leerer. Gleich ob Ascona oder Zürich: Was man bis vor wenigen Jahren nicht kannte, sind die zahlreichen leeren Schaufenster und Läden, die man beim Bummeln unangenehm entdeckt. Da beschleicht einen ein unangenehmes Gefühl, stirbt die Stadt, stirbt das Dorf? Am Ende bleiben Banken und 1001 Snackshops, das kann’s doch nicht sein. Das preisorientierte Konsumverhalten hat einen direkten Einfluss auf das Stadtbild von heute. Der frühere Werbeslogan “Geiz ist geil” des deutschen Discounters Saturns ist heute häufig genug das Leitmotto des Konsumenten. Aber für den Händler ist Geiz alles andere als geil, Geiz ist ungeil, denn das bedeutete seinen langsamen Tod. Auch das Traditionsunternehmen Vaucher in Bern musste aufgrund stetig sinkender Umsätze reagieren: Drei Filialen wurden geschlossen: Bern, Biel und Schönbühl, geblieben ist noch der Hauptsitz in Niederwangen. Roman Oberholzer von Och Sport in Zürich entgegnet, dass er trotz ähnlicher Positonierung als traditionelles Sportfachgeschäft keine Parallelen zu ihrem Geschäft sehe, obwohl auch sie mit der Problematik des Euro und dem Rückgang der Umsätze im Sport konfrontiert sind. Aber es werden auch immer individuelle Fehler gemacht. “Wir sind bewusst immer ein Sportgeschäft geblieben und sind nicht zum Modehaus avanciert wie z.B. Kost Sport. Vaucher hatte sich mit seinen diversen Filialen wahrscheinlich zu sehr mit den grossen Discountern und Sporthandelsketten konkurrenziert.” Das Marktumfeld ist schwieriger geworden, doch man kann bestehen und erfolgreich sein.
Warnung für bestehende Fachhändler, das eigene Konzept zu überdenken
Für alle bestehenden Fachhändler sind die Schliessungen von Kost Sport und Vaucher deutliche Warnschüsse, die eigene Strategie zu überdenken. Der Kunde von heute will ein schönes Ambiente, zu jeder Tages- und Nachtzeit shoppen, und natürlich immer den besten Preis. Alle diese Anforderungen gleichzeitig am besten von allen zu erfüllen, wird kein Geschäft können, aber der Kunde beurteilt das Geschäft nach solchen Schlüsselkriterien. Setzen Discounter mehr auf den Preis, so setzen hochwertige Fachgeschäfte mehr auf das angenehme Einkaufserlebnis. Hochwertige Sportgeschäfte wie z.B. Och Sport in Zürich beschäftigen ausgebildetes Fachpersonal, die beste Bedienung an den Tag legen. Dieser hochwertige Service wird von den Kunden sehr geschätzt. “Wir haben keine Studenten, die an der Kasse stehen”, meint Roman Oberholzer vom Och Sport. In allen Punkten schlecht abzuschneiden, wird negative Konsequenzen nach sich ziehen. Die bestehenden Fachhändler müssen sich entsprechend richtig einschätzen, positionieren und neue Strategien überlegen, wollen sie ihre Kunden nicht verlieren oder gar neue Kunden gewinnen. Ein einzigartiges Ladenkonzept ist das eine, ein zeitgemässer Auftritt im Internet das andere. Es muss heute jedem klar sein, Internet ist ein Must und ein Internet-Shop parallel zum Geschäft ebenfalls eine wichtige Option, die man prüfen MUSS. Und doch findet man tatsächlich Geschäfte, die das heute nicht bieten, bei denen Internet ein Fremdwort ist. Der Kunde will sich nicht nach dem Geschäft richten, sondern das Geschäft muss sich nach dem Kunden richten. Richtet sich das Geschäft nicht danach, geht der Kunde zur Konkurrenz. Die Händler müssen sich etwas einfallen lassen, wenn sie die drohende Negativspirale aufhalten wollen. Wer sich initiativ zeigt, wird belohnt werden, wer sich schwer tut, Änderungen durchzuführen, wird wahrscheinlich bald zu den Verlierern gehören.
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