Zwei Forscher der Universität Bern erhalten 5 Millionen Franken
(Bern)(PPS) Der Gastroenterologe Andrew Macpherson und der Pflanzenwissenschaftler Cris Kuhlemeier erhalten vom Europäischen Forschungsrat je einen «Advanced Grant» von rund zweieinhalb Millionen Franken. Ihre Projekte befassen sich mit dem Immunsystem bei Neugeborenen und mit der Artbildung bei Petunien.
Der von der Europäischen Union 2007 gegründete «European Research Council» (ERC) ist die wichtigste Förderagentur für europäische Spitzen-Grundlagenforschung. Seine Aufgabe ist die Förderung der besten Nachwuchsforschenden sowie bereits etablierten und aktiven Forschenden Europas. Die Advanced Grants haben zum Ziel, herausragende Forscherinnen und Forscher, die in den letzten 10 Jahren bedeutende Leistungen in ihrem Gebiet erbracht haben, bei innovativen und bahnbrechenden Projekten zu fördern.
Mit den beiden nun ausgezeichneten Projekten hat die Universität Bern seit Beginn der ERCVergaben vor zehn Jahren insgesamt 28 ERC Grants mit einer Dotation von rund 44 Millionen erhalten.
Die Entstehung des Immunsystems erforschen
Nirgendwo auf der Welt findet man eine dichtere Ansammlung von Bakterien als im Dickdarm. Kurz nach der Geburt wird jeder Mensch mit solch einer Darmflora, bestehend aus normalerweise gutartigen, gesundheitsfördernden Mikroorganismen, besiedelt und bleibt es ein Leben lang. Moleküle, die von den Darmbakterien abgesondert werden, dringen durch das Körpergewebe und beeinflussen wichtige Stoffwechselprozesse. Bisher wurde angenommen, dass die Besiedlung der Darmflora mit Mikroben nach der Geburt als treibende Kraft zur Entwicklung des Immunsystems beim Neugeborenen gilt. Studien der Gruppe um Prof. Andrew Macpherson vom Departement Klinische Forschung der Universität Bern und Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals Bern haben nun gezeigt, dass Moleküle der mütterlichen Darmflora schon während der Schwangerschaft und Stillzeit auf das Neugeborene übertragen werden. Dadurch kommt es bereits frühzeitig zu einer Stärkung des Neugeborenen-Immunsystems, und dieses wird auf die Besiedelung und das Zusammenleben mit der eigenen Darmflora vorbereitet. Mit dem ERC Advanced Grant sollen nun in einem Projekt die genetischen und chemischen Vorgänge bei der Entstehung der Darmflora und des Immunsystems erforscht werden. Obwohl die Gene von Mutter und Vater vererbt werden, bestimmen chemische Prozesse, welche davon «angeschaltet» werden (Epigenetik), und Macpherson und sein Team untersuchen speziell, welche Moleküle der mütterlichen Bakterien welche Gene des Neugeborenen beeinflussen. Unterstützt wird das Projekt zudem von der Genaxen Stiftung.
Andrew Macpherson ist seit 2008 Professor für Gastroenterologie an der Universität Bern sowie Chefarzt und Direktor der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin am Inselspital Bern. Nach seinem Doppelstudium in Medizin und Biochemie an der Universität Cambridge (UK) arbeitete er an verschiedenen Universitätsspitälern, unter anderem am King’s College Hospital in London. 1997 ging er an die Universität Zürich, um im Bereich der Immunologie mit dem Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel zu arbeiten. Dort entwickelte er Methoden, um die Auswirkungen von Darmbakterien auf das Immunsystem zu untersuchen. 2004 bis 2008 war Macpherson Ordentlicher Professor für Gastroenterologie an der McMaster University in Kanada, bevor er an die Universität Bern wechselte.
Der Evolution auf der Spur
Um Inzucht zu vermeiden, sind Pflanzen auf Fremdbestäubung angewiesen. Da sie am Boden verwurzelt sind und sich nicht selber auf die Suche nach einem Bestäubungspartner machen können, nutzen sie Tiere (Bestäuber) für den Transport ihrer Pollen von Pflanze zu Pflanze. Pflanzen locken Bestäuber mit ihren einzigartigen Blüten an und belohnen sie mit Nektar und Pollen. Die bisher bekannte und reiche Blütenvielfalt beruht daher grösstenteils auf der Anpassung von Blüten an diverse Bestäuber. Unterschiedliche wilde Petunienarten sind an Bienen-, nachtaktive Motten- oder Kolibribestäubung angepasst. Jede dieser Petunien hat Blüten mit einer anderen Form, Farbe und Duft, um den Präferenzen ihrer jeweiligen Bestäuber zu entsprechen. Die Gruppe um Cris Kuhlemeier am Institut für Pflanzenwissenschaften untersucht, welche genetischen Veränderungen diese Unterschiede zwischen den Arten verursachen. Die klassisch-darwinistische Artbildung besagt, dass sich diese graduell und in vielen kleinen Schritten vollzieht – dass also eine grosse Anzahl von Genen jeweils kleine Mutationen durchmacht. In den letzten 10 Jahren jedoch konnten die Forschenden um Kuhlemeier zeigen, dass nur wenige «Haupt-Gene» von bedeutenden Mutationen betroffen zu sein scheinen – womit die Artbildung einfacher sein könnte als bisher angenommen. Das ERC-Projekt setzt nun bei der mottenbestäubten Petunienart an, um mit Hilfe des neuen CRISPR/CAS9-Genomeditierungssystems die Artbildungsgene so zu verändern, dass sich die Farbe, der Duft und die Form der Blüten verändern und somit eine Pflanze entsteht, deren Blüten denen der bienen- oder vogelbestäubten Art ähneln. Anschliessend sollen Bestäuberversuche zeigen, ob Bestäuber den Unterschied zwischen künstlichen und natürlichen Arten erkennen. Diese Art von Versuch ist erstmalig, denn «grosse Mutationen» galten bisher nach Darwin als unmöglich.
Cris Kuhlemeier hat 1984 an der Universität Utrecht promoviert, war Postdoktorand und Assistenzprofessor an der Rockefeller Universität in New York und wurde 1988 als Professor für Pflanzenphysiologie an das Institut für Pflanzenwissenschaft der Universität Bern berufen, dessen Direktor er von 2006-2009 war. In Bern untersuchte Kuhlemeier hauptsächlich, wie sich Laubblätter entlang des Stängels in ihren typischen Mustern, deren Grundlage der sogenannte Goldene Schnitt ist, anordnen. Seine Gruppe hat die biochemischen und physikalischen Grundlagen dieses interessanten mathematischen Phänomens aufgeklärt. Seither befasst sich Kuhlemeier hauptsächlich mit Fragen der molekularen Evolution und entwickelte wilde Petunien als Modellsystem für das Verständnis der genetischen Grundlagen von bestäuberabhängiger Evolution.
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