Meilenstein in der Energiepolitik: Parlament verabschiedet Mantelerlass
(Bern)(PPS) Das Parlament verabschiedet nach einer rund zweijährigen Beratung den sogenannten Mantelerlass. Mit den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien stellt das Parlament die Weichen für den zielführenden Auf- und Ausbau einer erneuerbaren Energieversorgung. Die aeesuisse hat den politischen Prozess eng begleitet und sich laufend konstruktiv eingebracht. Herausgekommen ist eine gut ausbalancierte und mehrheitsfähige Vorlage – ein wichtiger Meilenstein in der Schweizer Energiepolitik.
Nach rund zweijähriger Beratung hat das Parlament am 26. September 2023 die Revision des Energiegesetzes und des Stromversorgungsgesetzes fertig beraten und eine ausbalancierte und mehrheitsfähige Vorlage präsentiert. Der sogenannte Mantelerlass ist ein wichtiger Meilenstein in der Schweizer Energiepolitik und er enthält verschiedene zielführende und wirksame Massnahmen im Sinne der Energiestrategie, die 2017 von einer grossen Mehrheit der Schweizer Bevölkerung angenommen wurde. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen liefern einen entscheidenden Beitrag an eine sichere Stromversorgung in der Schweiz auch und an die Erreichung der Klimaziele 2050.
Ausbauziele
Das Parlament hat sich im Rahman des Mantelerlasses für ambitionierte Ausbauziele ausgesprochen. So soll die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft bis zum Jahr 2035 auf 35 TWh ausgebaut werden. Bis 2050 sollten mindestens 45 TWh Strom aus erneuerbaren Energien – ohne Wasserkraft – produziert werden. Mit den Ausbauzielen übernimmt das Parlament die von der aeesuisse geforderten Ziele. «Die definierten Ausbauziele sind die Grundlage für eine nachhaltige und sichere Energieversorgung in der Schweiz», sagt Stefan Batzli, Geschäftsführer des Wirtschaftsdachverbands aeesuisse.
Gleitende Marktprämie
Zur Erreichung der Ausbauziele setzt das Parlament auf eine gleitende Marktprämie, ein marktnahes und wirksames Finanzierungsmodell für erneuerbare Energien, wie es europaweit im Einsatz ist. Während Kleinanlagen wie bis anhin mit einem einmaligen Investitionsbeitrag unterstützt werden sollen, werden Grossanlagen mittels wettbewerblicher Ausschreibungen für gleitende Marktprämien gefördert. In diesem Rahmen erhalten die günstigsten Angebote, die aus den Ausschreibungen hervorgehen, Anspruch auf eine Vergütungsgarantie zum Gebotspreis. Steigt der Preis für die bereitgestellte Energie über den Gebotspreis, fliessen die Gewinne zurück in den Netzzuschlagsfonds. Die gleitende Marktprämie wurde auf Initiative der aeesuisse von einer breiten Allianz der Schweizer Energiewirtschaft entwickelt.
Verschuldung Netzzuschlagsfonds
Der Netzzuschlagsfonds – aus dem der Zubau der erneuerbaren Stromproduktion gefördert wird – soll sich zudem verschulden dürfen. Auch dafür hat sich die aeesuisse vorgängig engagiert: «Mit einer möglichen Verschuldung des Netzzuschlagsfonds wird ein verlässlicher Finanzierungsrahmen im Sinne der erneuerbaren Energien geschaffen und die Risiken einer Stop-and-Go-Politik massiv eingeschränkt», sagt Batzli.
Mindestvergütungen für erneuerbare Energien
Positiv bewertet die aeesuisse ebenfalls den Beschluss, dass der Bundesrat bei der Förderung erneuerbarer Energien die Kompetenz erhalten soll, für Anlagen bis 150 kW Mindestvergütungen für die Rücklieferung an den Netzbetreiber festzulegen. So soll auch für kleinere Anlagen Investitionssicherheit geschaffen werden. Die aeesuisse wird sich im Rahmen der Ausarbeitung der entsprechenden Verordnung dafür engagieren, dass zielführende Mindesttarife auf der Grundlage von Leistungskategorien festgelegt werden.
Ausweitung Elektrizitätsgemeinschaften
Ausserordentlich begrüsst die aeesuisse auch den Beschluss zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). Das bereits bestehende Modell der Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV) hat sich in der Praxis bewährt und dazu geführt, dass insbesondere PV-Anlagen rentabler betrieben werden können. Zudem profitieren Verbraucher innerhalb der ZEV von günstigeren Preisen für Strom, der gleich in ihrer Nähe produziert wird. Neu sollen lokale Elektrizitätsgemeinschaften ermöglicht werden, deren Teilnehmenden unter Inanspruchnahme des Verteilnetzes miteinander intelligent verbunden sind. Die geografische Ausdehnung einer LEG kann das Gebiet einer Gemeinde umfassen und der Abschlag auf dem Netznutzungstarif darf bis maximal 60 Prozent betragen.
Netzentgeltbefreiung dezentrale Speicher
Sehr positiv beurteilt die aeesuisse weiter, dass sich das Parlament für eine Netzentgeltbefreiung von dezentralen Speichern mit Endverbrauch ausgesprochen hat und damit sinnvolle Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb eines wichtigen Teils der dezentralen Speicher schafft. Die aeesuisse engagierte sich politisch intensiv für die jetzige Lösung und ist entsprechend erfreut über den Entscheid. «Gerade Autobatterien werden dank der rasanten Entwicklung der Elektromobilität innert wenigen Jahren gewaltige Speicherkapazitäten bereitstellen können», sagt der aeeasuisse-Geschäftsführer. Eine aktuelle Studie der ETH Zürich zeige, dass sich die Stromsystemkosten dank einer intelligenten Integration von Elektroauto-Batterien in das Energiesystem um bis zu 6,5 Mrd. Franken reduzieren lassen.
Solidarische Finanzierung von Netzverstärkungen
Als wichtig und zielführend bewertet die aeesuisse auch den Beschluss, dass sämtliche zur Einspeisung von erneuerbarer Energie notwendigen Netzverstärkungen solidarisch auf die Stromkonsumentinnen und -konsumenten in der ganzen Schweiz umgelegt werden sollen. Für Ausbauten auf der untersten Netzebene soll dem Netzbetreiber ein pauschaler Betrag ausbezahlt werden, ohne dass eine Genehmigung der ElCom erforderlich ist. Ebenfalls sollen die Kosten für die Verstärkung von bestimmten Anschlussleitungen auf nationaler Ebene verteilt werden. Von dieser Unterstützung profitieren Leitungen zwischen der Grenze des Grundstücks, auf dem sich eine Anlage zur Produktion von erneuerbarer Energie befindet, und dem Netzanschlusspunkt.
Klare Rahmenbedingungen für die Planung von Energieanlagen
Neben effizienten Instrumenten zur Förderung des Aufbaus eines neuen dezentralen und resilienten Energiesystems hat das Parlament richtigerweise auch Rahmenbedingungen für die Planung und den Bau von Anlagen erneuerbarer Energien geschaffen. So werden in Zukunft für grosse Anlagen Eignungsgebiete ausgeschieden, innerhalb derer der Bau vereinfacht vonstatten gehen kann. Weiter wurde für Biomasseanlagen Vereinfachungen für den Bau dieser Anlagen ausserhalb der Bauzone geschaffen.
Markt für Effizienzdienstleistungen
Auch das zentrale Thema «Energieeffizienz» wird im Mantelerlass adressiert. So beschloss das Parlament beispielsweise, dass als Beitrag zur Energieeffizienz Ferienwohnungen bis 2035 mit intelligenten Heizungssteuerungen ausgestattet werden müssen, auch zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter. Weiter fordert das Parlament die Schaffung eines Marktes für Effizienzdienstleistungen. Die Elektrizitätslieferanten sollen Zielvorgaben zur stetigen Steigerung der Stromeffizienz erfüllen müssen, indem sie Massnahmen zur Effizienzsteigerung bei Endverbrauchern nachweisen. Erreichen sie ihre Zielvorgabe nicht, müssen sie Nachweise für von Dritten erbrachten Effizienzsteigerungen kaufen. Die aeesuisse begrüsst diesen Beschluss.
Guter Kompromiss bei Interessenabwägung
Als elementar im Sinne einer mehrheitsfähigen Vorlage erachtet die aeesuisse, dass das Parlament bei der Interessenabwägung zwischen Schutz und Nutzen eine gute Balance gewahrt und sich dafür ausgesprochen hat, dass die Restwassermengen nur in Notsituationen reduziert werden dürfen und dass beim Schutz der Trockenwiesen keine Abstriche gemacht werden. «Wir engagieren uns für eine Vorlage, die möglichst alle Interessen einbindet und damit referendumsfest ist», so Batzli. Vor diesem Hintergrund erachtet es die aeesuisse auch als vertretbar, dass es einige wichtige Massnahmen, wie beispielsweise ein vorliegender Kompromiss bei der Parkplatz-Solarpflicht, nicht ins Gesetz geschafft haben. Hier ist aus Sicht der aeesuisse der Bundesrat gefordert, die bereits bestehenden Möglichkeiten diesbezüglich konsequent auszuschöpfen. Generell ist es jetzt am Bundesrat, die Verordnungen zur Vorlage so auszugestalten, dass dem politischen Willen zum Ausbau der erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz Rechnung getragen wird.
Europa, Bewilligungsverfahren und Atomkraftwerke
Der Mantelerlass ist ein Meilenstein in der Energiepolitik, den die aeesuisse massgeblich und erfolgreich mitprägen konnte. Entsprechend erfreut ist der Wirtschaftsdachverband, dass die Vorlage im Parlament eine klare und deutliche Mehrheit – über alle Parteien hinweg – geniesst, wie die Schlussabstimmung am 29. September zeigen wird. Nach dem legislativen Prozess sind nun die Parteien sowie insbesondere auch die verschiedenen Verbände gefordert, die wichtige Vorlage im Sinne einer nachhaltigen und sicheren Energieversorgung nicht aufgrund von einzelnen Partikularinteressen zu gefährden.
Mit dem Mantelerlass hat das Parlament die Weichen Richtung einer erneuerbaren Energiezukunft auf Basis erneuerbarer Ressourcen gestellt. Viel Zeit diesen Erfolg zu geniessen bleibt jedoch nicht: Mit der Beschleunigungsvorlage erneuerbare Energien und dem nach wie vor ausbleibenden Stromabkommen mit der EU gilt es weitere Herausforderungen für eine erneuerbare und wirtschaftliche Energiezukunft zu meistern. «Gerade die zunehmende Entkoppelung der Schweiz vom europäischen Strommarkt gefährdet unsere Versorgungssicherheit empfindlich. Eine energieautarke Schweiz ist eine Utopie», sagt Batzli. Aktuell – sicherlich auch stark durch die bevorstehenden Parlamentswahlen getrieben – wird einmal mehr auch wieder über neue Atomkraftwerke debattiert. Dies, während jeden Tag erneuerbare Kraftwerke ans Stromnetz angeschlossen werden, die konkrete Kilowattstunden Energie liefern. Diese täglich neu und zusätzlich produzierte Energie schont unsere Speicherreserven für den Winter. Damit liefern die erneuerbaren Energien einen konkreten Beitrag an die Versorgungssicherheit. Und der Zubau wird durch den Mantelerlass noch massiv beschleunigt. Anders die Forderung nach neuen Atomkraftwerken, die nichts mehr als eine unnötige Nebelpetarde ist und die politischen Bemühungen zur Findung von echten Lösungen erschwert und untergräbt.
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