Freikirchen setzen sich für gelingende Erziehung ein

Freikirchen setzen sich für gelingende Erziehung ein
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Freikirchen.ch - Dachverband Freikirchen und christliche Gemeinschaften Schweiz

(Pfäffikon ZH)(PPS) Gute Erziehung ist kein Selbstläufer: Davon sind der Dachverband Freikirchen.ch, die Schweizerische Evangelische Allianz SEA und die Arbeitsgemeinschaft Forum Ehe und Familie überzeugt. Daher haben sie ein Fachmagazin und ein Symposium für gelingende Erziehung lanciert. Vermittelt wurden wichtige Parameter, damit christliche Erziehung positiv erlebt werden kann. Dabei wurden auch die dunklen Punkte von Machtmissbrauch und Grenzverletzungen betrachtet.

Erziehen Christen besser? Das Symposium für gelingende Erziehung brachte eine wichtige theologische Auslegeordnung. «Der Unterschied zwischen Erziehung und christlicher Erziehung ist die Vorstellung, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde», erklärte Stefan Schweyer, Professor für praktische Theologie an der STH Basel. Das jeweilige Menschenbild und Gottesbild sind relevant für die Erziehung: «Menschen sind in Gottes Ebenbild geschaffen, aber sie sind nicht Gott.» Weiter folgerte der Theologieprofessor: «Es gibt keine Pädagogik in der Bibel. Darum gibt es kein einfaches Erfolgsmodell und kein Rezept für gelingende Erziehung.» Gottes Wort diene universal für das Leben. Auch das Neue Testament präsentiere keine neuen Erziehungsmethoden. Aber die Bibel habe einen hohen pädagogischen Einfluss: Er entfaltet sich dann, wenn man den Gott kennenlernt, der sich in der Bibel offenbart hat.

Erziehung ist eine Überforderung

Dass es kein Rezept für gelingende Erziehung gibt, hat zwei Folgen: Es relativiert die Rolle der Erziehenden – und ist eine demütige Selbstbegrenzung. Schweyer: «Theologisch gesehen ist das typische Merkmal von Demut eine Selbstzurückhaltung, dass ich es nicht kann und dass es nicht das eine richtige Konzept gibt.» Dass Erziehung eine Überforderung ist, sei ganz normal und entspreche ganz und gar dem christlichen Selbstbild. Deshalb müsse man von jedem erzieherischen Hochmut wegkommen. Schweyer: «Der Mensch ist grossartig und grausam. Der christliche Glaube warnt davor, Erziehung absolut zu sehen. Meine Kinder sind nicht mein Ebenbild, sondern Gottes Ebenbild.» In Studien über den Einfluss von Erziehung auf das Heranwachsen von Kindern variiert dieser zwischen 20 und 50 Prozent. Das macht bescheiden und nimmt Druck weg.

Erziehung als Teil der Kultur

Erziehung heute ist anders als vor 100 Jahren. Auch christliche Erziehung ist immer kulturell bedingt. Aus diesem Grund erziehen christliche Eltern heute anders als vor 100 Jahren. Stefan Schweyer: «Es ist einfach, 100 Jahre zurückzublicken und festzustellen, was die Grosseltern falsch gemacht haben. Wir müssen hier viel demütiger sein. Wir wissen nicht, was sie in 100 Jahren über uns sagen, wo wir unsere blinden Flecken haben.» Dies wurde von Martina Kessler, Theologin, psychologische Beraterin und Präventionsbeauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz, bestätigt: «Unser Verständnis von Macht, Autorität und Unterordnung und unsere Beurteilung von gut und richtig sind in erster Linie von der Kultur geprägt, in der wir aufgewachsen sind.»

Erziehungskonzept: Bildhauer und Gärtner

Stefan Schweyer nimmt als Parabel den Bildhauer und den Gärtner: «Der Bildhauer steht für das Bild, ein Kind zu formen. Der Gärtner will das Kind wachsen lassen – er sieht das Potenzial.» In der Geschichte der christlichen Pädagogik gibt es eine Entwicklung vom Bildhauer zum Gärtner – von der repressiven Erziehung zur Reformpädagogik. Schweyer: «Ideal ist heute ein guter Mix. Es braucht Formen und Fördern – es braucht Gemeinschaft und individuelle Freiheit. Wir Menschen brauchen diese Spannung. Wir müssen auf das Wir und auf das Ich achten.» Als konkreten Erziehungstipp gab Stefan Schweyer weiter: «Wir müssen lernen zu reflektieren und bewusst zu antworten, statt spontan und instinktiv zu reagieren. Die Erziehungsaufgabe ist häufig eine Aufgabe an sich selbst – es ist mehr eine Entwicklung der Eltern als der Kinder.» Selbstreflexion sei der Schlüssel zu Heilung und Veränderung.

Missbrauch vorbeugen

Auch in christlichen Familien und Kirchen haben Kinder und Jugendliche Gewalt und Enge erfahren. Teilweise wurde Schlagen gar als christliche Erziehungsmethode legitimiert. Als Gegenreaktion zur antiautoritären Erziehung wurde nach 1968 von christlichen Elternhäusern mehr Gewalt angewendet. Dazu sagte Peter Schneeberger als Präsident des Dachverband Freikirchen.ch: «Ich entschuldige mich in aller Form für das in freikirchlichen Strukturen erlittene Unrecht. Es tut mir leid, dass im Rahmen von Predigten, Erziehungsratgebern oder Seelsorge Eltern dazu aufgefordert wurden, bildlich gesprochen den Kindern die Flügel zu stutzen oder sogar zu brechen. Es tut mir leid, was Eltern dann ihren Kindern angetan haben. Wir tun unser Möglichstes, um diese Missstände aufzudecken, zu beseitigen und unseren Kindern einen Boden zu bieten, auf dem sie vertrauenswürdige Unterstützung für die Zukunft bekommen.» Seit 2016 wurde daher eine Clearingstelle eingerichtet. Bei dieser Ombudsstelle können sich Betroffene melden und erhalten Begleitung. Dazu kommt die 2021 von der SEA lancierte Charta «Gemeinsam gegen Grenzverletzung». Sie wurde in der Schweiz bisher von 60 christlichen Verbänden unterzeichnet. Sie beinhaltet Prävention, Stärkung von Ressourcen, gesundes Risikomanagement, regelmässige Rechenschaftskonferenzen gegenüber anderen Verbänden, gemeinsame Weiterbildung und eine Meldestelle in jedem Verband.

Peter Schneeberger ergänzt: «Beim Thema Missbrauch haben wir eine Nulltoleranzgrenze festgelegt und dies zur Chefsache erklärt. Wir dulden als Selbstverpflichtung keine Gewalt in der Kirche.» Das hat Auswirkungen auf die Struktur, so Schneeberger: «Wir helfen Verbänden, ein System der Leitung und Verantwortung festzulegen, das die Schwächeren schützt.» Dazu gehöre eine offene Kultur mit dem Einholen von Referenzen, Privat- und Sonderprivatauszügen, wenn jemand mit Kindern zu tun hat. Bei Verträgen mit Mitarbeitenden wird Supervision eingebaut und auch deklariert, wo Hilfe geholt werden kann. Bei Weiterbildungen werden auch die Ehrenamtlichen einbezogen. Inzwischen hat sich auch in Freikirchen weitgehend die Erkenntnis durchgesetzt, dass Kinder keine Schläge brauchen, um zu gedeihen, sondern bloss klare Grenzen.

Vernehmlassungsverfahren «Gewaltfreie Erziehung»

Der Dachverband Freikirchen.ch hat im vergangenen Jahr im Vernehmlassungsverfahren «Gewaltfreie Erziehung» des Bundesrates Stellung bezogen. Der Dachverband unterstützt die geplante Änderung im Zivilgesetzbuch (ZGB): «Die von unserem Dachverband vertretenen Freikirchen nehmen schon seit längerer Zeit in Bezug auf Gewalt in der Erziehung eine klar ablehnende Haltung ein.» Und ergänzte: «Sosehr wir das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung begrüssen, müssten in diesem Zusammenhang auch gewisse Pflichten des Kindes erwähnt werden, nämlich der Respekt im Umgang mit Erwachsenen, insbesondere Eltern und Lehrern gegenüber. Dieser Aspekt trägt ebenfalls zur Gewaltprävention bei.»

Pressekontakt: 

Freikirchen.ch - Dachverband Freikirchen und christliche Gemeinschaften Schweiz
Witzbergstrasse 7
CH-8330 Pfäffikon ZH

Peter Schneeberger, Präsident Freikirchen.ch, Dachverband der Freikirchen und christlichen Gemeinschaften,
Büro: +41 43 288 62 17 Mobil: +41 79 272 96 46 E-Mail: peter.schneeberger @ feg.ch

Markus Baumgartner, Mediensprecher Dachverband Freikirchen.ch,
Mobil +41 79 707 89 21 mba @ b-public.ch