Fachstellen und NGOs fordern massiv mehr Finanzmittel und Schutz für ALLE Opfer von Gewalt!

(Bern)(PPS) Heute veröffentlicht der Bund den Bericht zu Gewalt an Frauen und Häuslicher Gewalt zuhanden des Europarats. Das Netzwerk Istanbul Konvention sagt: Das reicht bei Weitem nicht! Und fordert mehr Geld und Massnahmen zur Verhinderung von allen Formen von Gewalt und zum Schutz aller Opfer. 

Der Bericht des Bundes zur Umsetzung der Istanbul-Konvention (IK) in der Schweiz zeigt die staatliche Sicht auf das Thema Gewalt an Frauen und Häusliche Gewalt auf. Für die über 90 Fachstellen und -Beratungsstellen, Schutzunterkünfte und NGOs aus den Bereichen Gewalt, Behinderung, LGBTIQA+, Alter, Kinder, Migration/Asyl und Menschenrechte, die im Netzwerk IK zusammenarbeiten, zeigt sich aus der Praxis jedoch klar: die aktuellen und geplanten Massnahmen reichen noch lange nicht, um alle Menschen vor Gewalt zu schützen und die IK zu erfüllen.

Massiv mehr Finanzen gegen Gewalt nötig

Das Netzwerk stellt fest, dass zwar mehr über Gewalt gesprochen wird, jedoch die Bereitschaft für substanzielle Finanzierung der nötigen Massnahmen immer noch fehlt. «Meint es die Schweiz wirklich ernst im Kampf gegen Gewalt, muss der Bund massiv mehr Geld sprechen.» sagt Anna-Béatrice Schmaltz, Mitkoordinatorin des Netzwerkes (und cfd – Die feministische Friedensorganisation).

Föderalismus als Risiko für Opfer

Der Föderalismus ist ein Risiko für Gewaltbetroffene. Simone Eggler, Mitkoordinatorin des Netzwerkes (und Brava – ehem. TERRE DES FEMMES Schweiz) führt aus: «Es ist Glückssache, in welchem Kanton Gewaltbetroffene wohnen und ob sie Schutz und Unterstützung finden. Und die fehlende Zusammenarbeit über Kantonsgrenzen hinaus gefährdet Leben.» Hier muss der Bund gesamtschweizerisch einheitliche Regelungen und einen überkantonalen Schutz garantieren.

Bisherige Umsetzung der IK diskriminiert

Bisher fehlt es an der staatlichen Bereitschaft, zu garantieren, dass wirklich alle Opfer von den Präventions-, Unterstützungs- und Schutzmassnahmen erreicht werden. Dies, obwohl die IK mit Art. 4  zu einer inklusiven und diskriminierungsfreien Umsetzung verpflichtet. So fehlt es bspw. an nötigen Massnahmen für alte Menschen, trans Personen, Menschen mit Behinderungen, Geflüchtete, Menschen mit bestimmten Aufenthaltsstatus etc. Massive Lücken bei rechtlichen und praktischen Massnahmen gibt es bspw. bei Digitaler Gewalt, Gewalt in der Geburtshilfe und Pflege oder bei Gewalt durch staatliche und durch den Staat beauftragte Akteur_innen. 

Folgende Aussagen von Fachpersonen zeigen dies auf:

«Fast alle trans Menschen erleben Gewalt. Die Istanbul-Konvention will uns schützen - die Schweiz muss uns endlich schützen!» Alecs Recher, Transgender Network Switzerland

«Digitale Gewalt ist Gewalt. Auch ohne blaue Flecken und Knochenbrüche kann Digitale Gewalt töten. Dies muss im Strafgesetz verankert werden und die Unterstützung der Betroffenen staatlich finanziert werden.» Jolanda Spiess-Hegglin, #NetzCourage

«Viele Frauen und Mädchen mit Behinderungen haben aufgrund ihrer Lebensumstände ein überproportional hohes Risiko, Gewalt zu erleben. Barrieren beim Gewaltschutz und bei der Opferhilfe erhöhen dieses Risiko zusätzlich.» Angie Hagmann, avanti donne – Interessenvertretung Frauen mit Behinderung

«Für ein Alter ohne Gewalt fordert die UBA: Das Tabu brechen, Misshandlung verhüten und unterstützende Organisationen durch öffentliche Mittel stärken!» Ruth Mettler, Unabhängige Beschwerdestelle für das Alter UBA / Alter ohne Gewalt

«Erziehung ist Privatsache, Gewalt gegen Kinder nicht.» Regula Bernhard Hug, Kinderschutz Schweiz

«Wer sich als lesbisch, bisexuell oder queer identifiziert, erlebt nicht nur Gewalt aufgrund des Geschlechts, sondern auch aufgrund der sexuellen und romantischen Orientierung. Diese mehrfache Diskriminierung verschärft sich in bestimmten Bereichen, wie z.B. im Gesundheitssektor oder bei der Sicherheit im öffentlichen und privaten Raum.» Muriel Waeger, LOS – Lesbenorganisation Schweiz

«Der Kampf gegen Gewalt erfordert auch eine bessere Medienberichterstattung und weniger Geschlechterstereotypisierung in den Medien. Es ist wichtig, dass Journalisten für diese Themen sensibilisiert werden.» Valérie Vuille, DécadréE

«Der Staat muss aktiv gegen alle Formen der Diskriminierung inklusive Racial Profiling innerhalb von Institutionen, Strukturen und all seinen Organen vorgehen, insbesondere bei denen mit Gewaltmonopol wie der Polizei.» Izabel Barros, cfd - Die feministische Friedensorganisation

«Keine Verstümmelungen von intergeschlechtlichen Kindern. Keine geschlechtsverändernden Eingriffe an Kindern.» Mirjam Werlen, InterAction Schweiz

«Entgegen der Verpflichtungen der IK stellt die Schweiz asyl- und migrationsrechtliche Belange meist vor eine adäquate Unterstützung gewaltbetroffener geflüchteter Frauen. Und auch vor den Schutz vor erneuter Gewalt.» Georgiana Ursprung, Brava – ehem. TERRE DES FEMMES Schweiz

«Das Gesetz diskriminiert die Opfer je nach Status des Ehepartners, was den Zielen des IC zu widersprechen scheint. Die Schweiz muss ihren Vorbehalt zu Artikel 59 der Istanbul-Konvention aufheben und den Schutz aller Opfer Häuslicher Gewalt sicherstellen.» Chloé Maire, Centre Social Protestant Vaud

«Wenn die Prävention von weiblicher Genitalbeschneidung und die Versorgung betroffener Mädchen und Frauen effektiv sein soll, braucht es eine längerfristige Finanzierung – die Kantone sind aufgefordert, entsprechende Angebote bereit zu stellen». Simone Giger, Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz

«Für eine faire Rechtsprechung ist ein «Ja heisst Ja» im Sexualstrafrecht die Grundvoraussetzung!» Bettina Steinbach, Frauenberatung Sexuelle Gewalt Zürich

«Mädchen und junge Frauen erleben in allen Landesteilen Gewalt im Elternhaus. Daher braucht es für die Opfer in allen Regionen Mädchenhäuser!» Dorothea Hollender, Mädchenhaus Zürich

«Wenn wir Häusliche Gewalt verhindern wollen, muss der Staat endlich seine Verantwortung übernehmen und für die ausreichende Finanzierung der Frauenhäuser in allen Regionen der Schweiz aufkommen.» Lena John, Dachorganisation Frauenhäuser

«Facharbeit mit gewaltausübenden Personen ist ein wesentlicher Pfeiler des Opferschutzes.» Anne Le Penven, Fachverband Gewaltberatung Schweiz 

«Jeden Tag sind auch in der Schweiz unzählige Frauen von Gewalt, Zwang oder Grenzüberschreitungen während der Schwangerschaft, Geburt oder im Wochenbett betroffen. Dies mit oft schwerwiegenden Folgen für die ganze Familie. Das muss sich dringend ändern und dafür setzen wir uns ein.» Monika Di Benedetto, Präsidentin Roses Revolution

«Tatsächliche Geschlechtergleichstellung ist essenziell für den Abbau von geschlechtsbasierter Gewalt.» Regula Kolar, Geschäftsleiterin NGO-Koordination post Beijing Schweiz

Das Netzwerk wird am 5. Juli einen eigenen NGO-Bericht publizieren, der eine breite, inklusive Übersicht wie auch thematische Vertiefungen durch einzelne NGOs bietet. 

Firmenportrait: 

Kinderschutz Schweiz ist eine unabhängige privatrechtliche Stiftung und gesamtschweizerisch tätig. Als gemeinnützige Fachorganisation machen wir uns dafür stark, dass alle Kinder in der Schweiz im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention in Schutz und Würde aufwachsen. Für dieses Ziel setzen wir uns wissenschaftlich fundiert und konsequent via Präventionsangebote, politische Arbeit und Sensibilisierungskampagnen ein. Kinderschutz Schweiz richtet sich an Fachpersonen und Erziehende, politische Akteurinnen und Akteure, private und staatliche Organisationen sowie die breite Öffentlichkeit in der Schweiz. Für die Finanzierung ihrer Arbeit betreibt die Stiftung gezieltes Fundraising gegenüber Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen und öffentlichen Institutionen. 

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