Erhebung zu neuen Formen der Bürgerbeteiligung widerlegt gängige These

(Aarau) Gemeinden bieten ihren Bürgerinnen und Bürgern in erster Linie bei der Raumplanung neue Gelegenheiten zur Mitbestimmung. Hauptgründe dafür sind nicht etwa tiefe Beteiligungsraten in den traditionellen Institutionen der Gemeindedemokratie, sondern gesellschaftliche Herausforderungen und das Mittragen politischer Entscheide. Dies zeigt eine Erhebung von neuen Formen der Bürgerbeteiligung, die das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) in Deutschschweizer Gemeinden durchgeführt hat.

Seit den 1990er-Jahren werden in vielen Demokratien neue Formen der Bürgerbeteiligung (NFBB) etabliert, vor allem auf lokaler Ebene. NFBB umfassen Verfahren, die eine aktivere Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen erlauben – also zusätzlich zu Wahlen, Abstimmungen oder Gemeindeversammlungen. Das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) hat NFBB in der Deutschschweiz analysiert und ist zu überraschenden Befunden gekommen:

  • NFBB werden eingeführt, weil die Behörden hoffen, damit einen Beitrag zur Lösung von zunehmend komplexeren gesellschaftlichen Problemen zu leisten und Akzeptanz
    für politische Entscheide zu schaffen. Dieser Befund widerlegt die gängige These, dass NFBB etabliert werden, weil die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr wählen
    gehen oder weil sich die (lokale) Demokratie in einer Krise befände.
  • NFBB kommen vor allem bei der Raumplanung zum Einsatz: Nahezu 40 Prozent der durchgeführten NFBB betrafen Themen der Raumplanung und Gemeindeentwicklung. Umweltthemen sind der am zweitmeisten genannte Bereich, bei dem Mitbestimmung gefragt ist (in 20 Prozent der untersuchten Fälle genannt).
  • NFBB in Deutschschweizer Gemeinden sind Veranstaltungen von relativ überschaubarer Grösse: Für fast die Hälfte aller erhobenen NFBB wird eine Teilnehmerzahl zwischen 25 und 75 Personen angegeben. NFBB sind also kein Ausbau der demokratischen Beteiligung für die grosse Mehrheit der Bevölkerung. Allenfalls kann man von einer vertieften Beteiligung für eine engagierte Minderheit sprechen.

Die Erhebung des ZDA basiert auf den Angaben von 87 professionellen Anbietern, die im Zeitraum zwischen 2000 und 2013 in Deutschschweizer Gemeinden NFBB durchgeführt
haben. Die Resultate sind ausführlicher in einem Artikel im Sammelband "Demokratie in der Gemeinde" beschrieben, der soeben im Schulthess Verlag erschienen ist (Literaturhinweis siehe unten).

Das Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) ist ein Forschungszentrum der Universität Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz mit Sitz in Aarau.
zdaarau.ch

Literatur:
Daniel Kübler; Philippe E. Rochat, Philippe Koch & Nico van der Heiden (2015): „Vertiefung der Demokratie? Warum Schweizer Gemeinden neue Formen der Bürgerbeteiligung
einführen“, in: Daniel Kübler & Oliver Dlabac (Hrsg.): Demokratie in der Gemeinde.
Herausforderungen und mögliche Reformen, Schulthess Juristische Medien AG (Zürich), S.93-111. ISBN: 978-3-7255-7206-9.

Pressekontakt: 

Zentrum für Demokratie Aarau
- ein Forschungszentrum der Universität Zürich und
der Fachhochschule Nordwestschweiz

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5000 Aarau
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