Beschwerde gegen Änderung des Tessiner Familienzulagengesetzes abgewiesen
Urteil vom 6. Dezember 2016 (8C_182/2016)
(Lausanne)(PPS) Das Bundesgericht weist eine Beschwerde gegen die vom Grossen Rat des Kantons Tessin neu geregelten Voraussetzungen zum Bezug einer kantonalen Ergänzungsund Kleinkinderzulage ab. Dass Schweizer Bürger nur drei Jahre im Kanton Tessin leben müssen und ausländische Personen fünf Jahre, stellt keine Verletzung des verfassungsmässigen Gleichbehandlungsgebots dar. Offen lässt das Bundesgericht derzeit die Frage, ob die Neuregelung in Bezug auf EU-Bürger mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist.
Der Grosse Rat des Kantons Tessin hatte 2015 im Rahmen der Debatte über das Budget 2016 eine Änderung des kantonalen Gesetzes über die Familienzulagen beschlossen. Schweizer Bürger müssen wie bisher seit mindestens drei Jahren im Kanton Tessin leben, um Ergänzungs- oder Kleinkinderzulagen in Anspruch nehmen zu können; bei ausländischen Personen wird neu ein Aufenthalt von mindestens fünf Jahren vorausgesetzt. Mehrere ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Tessin gelangten gegen die Neuregelung ans Bundesgericht und verlangten die Aufhebung der fraglichen Bestimmungen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Im Rahmen einer abstrakten Kontrolle der fraglichen Normen kommt das Gericht zum Schluss, dass die unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen für schweizerische und ausländische Personen mit dem verfassungsmässigen Gebot der Gleichbehandlung vereinbar sind. Die kantonalen Familienzulagen dienen dem Kanton Tessin als Instrument der Familienpolitik. Die Unterstützungsleistungen sind insofern auf gut im Kanton integrierte Familien ausgerichtet, die sich wahrscheinlich längere Zeit im Tessin aufhalten. Bei Personen mit Schweizer Bürgerrecht kann grundsätzlich von einer engeren Verbundenheit mit dem Land und dem Wohnort ausgegangen werden als bei ausländischen Personen, die den Wohnort tendenziell häufiger wechseln dürften. Für die unterschiedliche Behandlung von Schweizer Bürgern und Ausländern gibt es somit sachliche Gründe. Im weiteren werden durch die neu geregelten Anspruchsvoraussetzungen auch das Übereinkommen über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit sowie Artikel 8 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht verletzt. Angesichts der zahlreichen möglichen Situationen von betroffenen Personen (Schweizer Bürger, Herkunft von ausserhalb der EU, EU-Bürger, Nicht-Erwerbstätige, Selbständigerwerbende, Studierende usw.) lässt das Bundesgericht derzeit offen, ob die Neuregelung mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie den entsprechenden Reglementen vereinbar ist. Die Frage wird gegebenenfalls im Rahmen eines konkreten Anwendungsfalles zu klären sein.
Bundesgericht
Avenue du Tribunal-Fédéral 29
1005 Lausanne