Qualzucht ist illegal – und doch weit verbreitet!
- Gesetze und Verordnungen
- Verordnung BLV über den Tierschutz beim Züchten
- Qualzucht – und wie sieht die Praxis aus?
- Ein Urteil zur Qualzucht – aus Deutscher Gerichtspraxis
(Winterthur)(PPS) Schweizer Tierärzte kämpfen gegen Qualzuchten - wie vor Kurzem in den Medien berichtet wurde. Bestimmte Rassen wie der Mops, die französische Bulldogge oder der Boston Terrier, die aus Qualzuchten stammen, leiden u.a. wegen ihrer kurzen Nase oft an Atemnot und sind dadurch enorm eingeschränkt. Die Beliebtheit dieser Rassen lässt auch Importe stetig steigern. Diese kommen häufig aus nicht kontrollierten und nicht zertifizierten Zuchtstätten.
Die Qual- oft auch Extremzucht genannt gibt es bei verschiedenen Haustierarten. Nebst bei Hund und Katze sind Qualzuchten auch beim Geflügel, bei Fischen, Kaninchen und Reptilien ein Thema. Qualzucht ist in der Schweiz seit 2008 verboten und trotz Gesetz und Verordnung weit verbreitet. Was darunter tatsächlich zu verstehen ist, ist jedoch immer noch weitgehend unbekannt. Es fehlen richtungsweisende Urteile.
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Gesetze und Verordnungen
Der Zweck des Schweizerischen Tierschutzgesetzes ist es, die Würde und das Wohlergehen der Tiere zu schützen. Auch die Tierzucht ist geregelt. Danach ist es ausdrücklich verboten Tiere zu züchten, wenn bei Elternteilen oder bei den Nachkommen durch das Zuchtziel bedingte oder damit verbundene Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen verursacht werden.
In der Tierschutzverordnung wird konkretisiert, dass das Züchten darauf auszurichten ist, gesunde Tiere zu erhalten, die frei von Eigenschaften und Merkmalen sind, mit denen ihre Würde missachtet wird.
Verordnung BLV über den Tierschutz beim Züchten
Die Verordnung über den Tierschutz beim Züchten sieht nebst Pflichten beim Züchten auch sogenannte Belastungskategorien vor. Von 0 keine Belastung über 1 leichte Belastung, 2 mittlere Belastung bis Belastungskategorie 3 starke Belastung wird dabei unterschieden. Mit Tieren der Belastungskategorie 0 oder 1 darf gezüchtet werden. Mit Tieren der Belastungskategorie 2 darf gezüchtet werden, wenn das Zuchtziel beinhaltet, dass die Belastung der Nachkommen unter der Belastung der Elterntiere liegt. Es ist verboten, mit Tieren der Kategorie 3 zu züchten. Für die Zuordnung eines Tieres in die Belastungskategorie sind Belastungsformen wie Schmerzen, Schäden, Leiden, tiefgreifende Eingriffe ins Erscheinungsbild oder die Fähigkeiten zu berücksichtigen. Der Züchter muss die Belastungen kennen, die eine extreme Ausprägung von Merkmalen sowie die bekannten Erbschäden der betreffenden Zuchtform für die Tiere haben und darf keine Zuchtziele verfolgen, die für die Tiere mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder tiefgreifenden Eingriffen ins Erscheinungsbild oder in die Fähigkeiten verbunden sind. Der Züchter hat im Zusammenhang mit der Zucht belasteter Tiere also diverse Vorschriften zu beachten. In einigen Fällen muss er zudem mit den Behörden zusammenarbeiten bzw. weitere Pflichten erfüllen.
Merkmale und Symptome, die im Zusammenhang mit dem Zuchtziel zu mittleren oder starken Belastungen führen können, sind im Anhang 2 der Verordnung des BLV über den Tierschutz beim Züchten definiert. Dazu gehören unter anderem Schädeldeformationen mit behindernden Auswirkungen auf die Lage der Augen, die Atemfähigkeit, der Geburtsvorgang, übermässige Faltenbildung mit chronischer Hautentzündung, übermässige Befiederung, Fehlfunktion der Augen wie Blindheit, Fehlfunktion des Hörapparates wie Taubheit, Koordinations- oder Bewegungsstörungen, Zitterhalsigkeit der Tauben etc.
Zu den ausdrücklich verbotenen Zuchtformen gehören Tanzmäuse, Goldfische der Zuchtform Blasenauge, Zwerghunde weniger als 1,5 Kg, Känguru-Katzen, Reptilien mit Enigma-Syndrom und Rinder der Rasse Blauweiss Belgier.
Qualzucht – und wie sieht die Praxis aus?
Qualzuchten sind in der Schweiz seit 2008 verboten. Gesetze und Verordnungen sind vorhanden. Dennoch tun sich Behörden und Expertengruppen schwer mit diesem Thema. Die Stiftung Tier im Recht hat 2012 sieben Strafanzeigen lanciert. Im Zusammenhang mit Qualzuchten kam es bisher in der Schweiz nur zu wenigen Verfahren. Im 2016 gab es in zwei Fällen Verfahren gegen Züchter, die brachycephale Katzen in ihrer Zucht einsetzten. Zu hoffen ist, dass die Aufklärungs-Kampagne der Schweizer Tierärzte gegen Qualzuchten Käufer und potenzielle Tierhalter vom Erwerb der leidenden Tiere abhält und damit auch die Nachfrage nach Qualzuchten vermindert wird.
Ein Urteil zur Qualzucht – aus Deutscher Gerichtspraxis
Eine Züchterin hält und züchtet Canadian-Sphinx-Katzen. Ihr Kater Willy ist eine sogenannte Nacktkatze. Das Veterinäramt von Berlin-Spandau verbot der Züchterin, mit Willy zu züchten und ordnete eine Kastration an. Da ihm funktionsfähige Tasthaare und das Fell fehlen, wäre eine Zucht mit ihm als Qualzucht anzusehen. Diesen Entscheid zog die Halterin vor das Verwaltungsgericht. Ein tierärztliches Gutachten stellte fest, dass die Tasthaare ein wichtiges Sinnesorgan seien, das Orientierung und Kommunikation von Katzen ermögliche. Das Verwaltungsgericht wies die Klage der Züchterin ab (Berliner Verwaltungsgericht Nr. 33/2015).
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Die Organisation Active for Animals (active-for-animals.ch) informiert Tierhalter, Tiervereine und Tierfreunde praxisnah über Rechte und Pflichten im Umgang mit Tieren. Wir bieten zum Tierrecht anerkannte Seminare und einen Lehrgang an. Active for Animals unterstützt den Verein Sternschnuppe für Mensch und Tier (www.sternschnuppe-mensch-und-tier.ch). Dieser setzt sich aktiv für die Verbesserung der Lebensumstände von benachteiligten und verletzten Tieren ein.
Tatjana Bont
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