Boom bei Selbstbau Solarstromanlagen

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Syril Eberhart

(Spiez) Während in Bern immer noch an der Energiestrategie 2050 herum debattiert wird, nimmt eine Genossenschaft im Berner Oberland die Energiewende selber in die Hand. Ihr Konzept: Eine Solaranlage muss so günstig installiert werden können, dass sich diese möglichst jeder leisten kann. Um dies zu erreichen, werden Solaranlagen mit einer Selbstbaugruppe realisiert. Das Konzept ist so erfolgreich, dass sie nach einem knappen Jahr bereits zu einer der grössten Installationsfirmen der Schweiz gehört.

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima hat der Bundesrat den schrittweisen Atomausstieg beschlossen. Seither wird in Bundesbern an der Energiestrategie 2050 herum debattiert. Mit dem kürzlichen rechtsrutsch im Parlament wird die Umsetzung allerdings nicht einfacher. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, dass es Leute gibt, welche die Umsetzung der Energiewende selber in die Hand nehmen.
Und das hat auch Syril Eberhart getan. Er ist Präsident und Geschäftsführer der Energiewendegenossenschaft (e-wende.ch). „Ich wollte nicht auf die Versprechen der Politiker warten und wirklich etwas bewegen. Und da ist es am Einfachsten, beim Solarstrom anzusetzen, denn da kann jeder persönlich mit einfachen Mitteln mitmachen. Sei es mit einem einzigen Solarmodul auf dem Balkon, oder mit einem kleinen Kraftwerk auf dem Dach“, sagt Eberhart.

„Steigt die Amortisationszeit auf über 14 Jahre, sinken die Realisierungschancen markant"

Oft habe er zu hören bekommen, dass eine Photovoltaikanlage, wie Fachleute den Solarstrom nennen, einfach noch zu teuer sei. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Interesse für Solarstrom am Anfang immer recht gross ist, doch sobald die Amortisationszeit auf über 14 Jahre steigt, sinken die Realisierungschancen für ein Projekt markant“, so Eberhart. Mit diesem Hintergrund hat er zusammen mit weiteren Interessierten im Sommer 2013 die Energiewendegenossenschaft gegründet. Hauptziel war die Realisierung von Photovoltaik Projekten zu einem möglichst günstigen Preis. Die Amortisationszeit sollte auf unter 10 Jahre gedrückt werden.

Mit der Selbstbaugruppe zum Erfolg:
Um dies zu erreichen wurde eine Selbstbaugruppe gegründet. Wer also eine Solaranlage installieren will, hilft bei der Installation mit und arbeitet die von anderen Helfern bekommenen Stunden bei anderen Projekten wieder ab. So ist die Arbeit kostenlos. Und auch die Marge auf dem Material beträgt nur 5%. Das ist ein Viertel bis ein Sechstel der Marge, die andere Anbieter verlangen. Eberhart: „Wir wurden völlig überrannt von Anfragen, ich wollte aber vor einem richtigen Start nach meinem Studium noch auf eine Weltreise. So haben wir erst im November 2014 offiziell gestartet.“ Das Interesse war dann auch gleich so gross, dass das Angebot ausgebaut werden musste. Heute arbeiten bereits 4 Solarplaner für die Energiewendegenossenschaft.

1 MWp oder Strom für 285 Haushalte in einem knappen Jahr:
Nach 11 Monaten wird die EWG nun mit der nächsten Anlage, welche Anfangs November realisiert wird, die 1 MWp Marke durchbrechen. Mit der 66. Anlage werden alle Anlagen der EWG zusammen dann Strom für 285 Haushalte liefern. „In der Schweiz werden im Jahr 2015 ca. 250 MWp bis 300 MWp zugebaut, die meisten Anlagen von Elektriker oder Dachdecker, die nur gelegentlich mal eine Anlage realisieren. Somit sind wir innert kürzester Zeit zu einem der grössten Installateure der Schweiz geworden. Und das obschon wir bisher hauptsächlich in der Region Thunersee installiert haben. Das Konzept Selbstbau ist also ein totales Erfolgsmodell.“, so Eberhart.

„In Spiez sind heute doppelt so viele Solaranlagen installiert, wie im Schweizer Durchschnitt“

Bisher waren die Aktivitäten der Genossenschaft auf die Region Thunersee konzentriert. In der 12‘000 Personen Stadt Spiez, dem Sitz der Genossenschaft, sind heute doppelt so viele Solaranlagen installiert wie im Schweizer Durchschnitt. Das entspricht 3.5% am Stromverbrauch. Im schmucken Ort am Thunersee hat die EWG dann auch das ehrgeizigste Ziel: Bis 2020 soll dort 20% am Stromverbrauch Solarstrom sein.

Ausweitung auf die ganze Schweiz geplant
Nun möchte die Genossenschaft ihr Konzept ausweiten auf die ganze Schweiz. „Das Potenzial ist riesig, denn eine 70 m2 Solaranlage kann man so durchschnittlich inkl. Elektriker und Gerüst schon für 11‘000 sFr realisieren, und diesen Betrag kann sich fast jeder Einfamilienhausbesitzer leisten. Nun suchen wir nach Leuten, die dasselbe Konzept auch in ihrer Region umsetzten möchten. Dabei ist es für uns zweitrangig, ob das auch über die EWG realisiert wird, oder ob eine eigene Genossenschaft dafür gegründet wird. Unterstützung können wir in jedem Fall bieten. Unser Modell hat kein Copyright, wir würden es sogar begrüssen, wenn es möglichst oft kopiert wird.“, so Eberhart

„Unser Modell darf gerne kopiert werden“

Neben kostenlosen Erstberatungen für interessierte Hausbesitzer bietet die EWG im November auch zwei Solarkurse an. In diesen lernt man einerseits, wie aus Licht Strom wird, anderseits aber auch, auf was man bei der Planung einer Solaranlage achten muss. Die EWG erhofft sich dadurch vor allem auch, ihr Netzwerk über weitere Regionen ausbauen zu können und den Selbstbau so bald in der ganzen Schweiz anbieten zu können. Ob dies dann alles unter der EWG stattfinde oder unter vielen ähnlichen, regionalen Genossenschaften, sei dabei zweitrangig, meint Eberhart. Und er fügt hinzu: „Hauptsache, wir können unser Konzept auf die ganze Schweiz ausweiten und so einen Beitrag für die Energiewende leisten.“ Weitere Infos zur EWG findet man unter www.e-wende.ch

So funktioniert die Selbstbaugruppe
Hans Müller möchte auf einem Ziegeldach eine 70m2 grosse Solaranlage realisieren. Der Bau dieser Anlage nimmt etwa 50 h in Anspruch. Die EWG organisiert für Hans zwei Selbstbauer, die ihm helfen. Die drei Personen arbeiten nun zwei Tage lang unter Anleitung und Aufsicht eines Experten. Von den beiden Selbstbauern hat Hans also total vier Tage bekommen. Diese vier Tage muss er nun innerhalb etwa 1.5 Jahren auf anderen Projekten abarbeiten, dafür ist die Arbeit gratis. Kann er die Zeit nicht abarbeiten, zahlt er der Genossenschaft 50 sFr pro Stunde aus, die er nicht abarbeiten konnte.

Firmenportrait: 

Die Energiewendegenossenschaft (EWG) ist nicht Gewinn orientiert und setzt sich dafür ein, dass sich möglichst jeder eine Solaranlage leisten kann. So möchten wir einen Beitrag zur Energiewende leisten und zeigen, dass die Erneuerbaren Energien schon heute so weit sind, dass diese schnell und ohne Gaskraftwerke für eine Übergangszeit ausgebaut werden können. Unser Hauptkonzept ist eine tiefe Marge sowie die Selbstbaugruppe.

Pressekontakt: 

Syril Eberhart
Präsident und Geschäftsführer Energiewendegenossenschaft
Stutzstrasse 36
3702 Hondrich
079 675 21 57
info@e-wende.ch