UPDATE: Neue Gesetze für unbemannte Luftfahrzeuge, Drohnen, Modellflugzeuge
(Bern)(PPS) Drohnen, UAV, Modellflugzeuge, unbemannte Luftfahrzeuge, Multicopter, FPV-Racer; die Begriffe sind vielfältig, populär und für manche klingen sie gefährlich. Spielzeughersteller verkaufen ihre fliegenden Kisten wie warme Semmel und die professionelle Industrie spricht von einem gigantischen Milliardenmarkt. Fakt ist aber auch, dass es immer mehr Zwischenfälle gibt, an denen UAV beteiligt sind. Hier kann das U für unmanned, also unbemannt wie auch für unbekannt stehen. Was es auch immer war, die Fälle haben zugenommen und die Regulierungsbehörden auf den Plan gerufen um auf der ganzen Welt die Vorschriften zu verschärfen. Die Schweiz gibt dabei die vermutlich liberalste Regulierung preis. An die Kontrolle, die Durchsetzung dieser Regel hingegen denken weder BAZL (Bundesamt für Zivilluftfahrt) noch die EASA (European Aviation Safety Agency) - und das finden wir nicht gut!
Die Regeln heute
Luftfahrt ist Aufgabe des Bundes. Dies ist in Artikel 87 BV (SR 101) verankert. Hierauf stützt sich das Luftfahrtgesetzt (SR 748.0) sowie zahlreiche Verordnungen. Der verwendete juristische Begriff in der Schweiz lautet “unbemannte Luftfahrzeuge”. Das BAZL regelte diese Kategorie von Luftfahrzeugen lange bevor sie populär wurde und definierte wenige, dafür prägnante Regeln in der Verordnung über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien (VLK, SR 748.941). Insbesondere die Artikel 17 (Einschränkungen) und 18 (Ausnahmen von den Einschränkungen) definieren, wie in der Schweiz operiert und geflogen werden darf.
Für Kantone (und Gemeinden) ist ferner Artikel 19 wichtig. Dieser erlaubt weitere Vorschriften zur Verminderung der Umweltbelastung und bei Gefährdung von Personen und Sachen auf der Erde.
Und was sind nun die Einschränkungen? Kaum jemand in der Bevölkerung, die Meisten die professionell fliegen, wenige welche die Spielzeuge kaufen und zu wenig Polizistinnen und Polizisten kennen sie:
- Über 30kg ist immer eine Bewilligung des BAZL notwendig
- Stets auf Sicht, und das ohne Kamerasystem oder Fernglas
- Nicht näher als 5km zu Flugplätzen, nicht höher als 150m in Kontrollzonen
- Nicht näher als 100m zu Menschenansammlungen (ab 24 Personen)
- Haftpflichtversicherung über mind. 1 Million Franken mitführen
Klar, es gibt noch feine Nuancen, aber diese fünf Grundregeln lassen sich einfach vermitteln, merken, überprüfen und somit auch durchsetzen.
Wer macht die neuen Regeln?
In Zukunft immer noch das BAZL, jedoch nicht alleine. Es muss die Regeln der EASA übernehmen und darf nur selbst regulieren wo dies vorgesehen ist. Aber auch die EASA ist nicht ganz unabhängig. Sie ist mit Regulierungsbehörden aus 46 Ländern in der JARUS (Joint Authorities for Rulemaking on Unmanned Systems) zusammengeschlossen. Diese
Organisation erarbeitet Regulierungsvorschläge für die Länder mit dem Zweck, die Regulierungen zu harmonisieren. Das soll einerseits die Herstellung von UAV vereinfachen, wie aber auch den grenzüberschreitenden Einsatz ermöglichen.
Die Welt ist sich einig, dass den neuen Regeln einem risikobasierten Ansatz zugrunde liegen sollen. Dieser Ansatz - übrigens eine Schweizer-Idee - wurde während der letzten zwei Jahre präzisiert und mündete (endlich) im August 2016 in einem
Regulierungs-Prototypen. Auf das Jahresende wird eine darauf basierende “Notice of Proposed Amendment” in Aussicht gestellt. Die letzte Gelegenheit, Einfluss zu nehmen. Und das wird gemacht. Die manntragende Aviatik mit der weltweit tätigen AOPA (Aircraft Owners and Pilots Association) will möglichst viele Einschränkungen, die Europäischen
Modellflugverbände haben sich im Oktober zu einem neuen europäischen Verband mit über 500’000 Mitglieder zusammengeschlossen wollen von den Regeln ganz ausgenommen werden und die Hersteller haben sich weltweit verbunden und wollen ebenfalls ihre Interessen durchsetzen. Ach so, nicht zu Vergessen Amazon, Google, DHL und Konsorte, die am liebsten autonom fliegen wollen.
Bei soviel tauziehen wundert es nicht, dass der Regulierungs-Prototyp komplex ausfällt und versucht Kompromisse und Zugeständnisse zu machen. Doch wo sind die Stimmen der Durchsetzungsbehörden, sprich der Polizei? Die sind - zumindest uns - nicht bekannt. Und darum wenden wir uns mit diesem Update insbesondere an sie. Denn
- was nützt eine strenge Regelung, wenn sich viele nicht daran halten wollen, weil ihnen das Hobby oder Einkommen abhanden kommt;
- was nützt eine komplexe Regelung mit vielen Varianten, wenn weder Piloten noch Polizisten sie beherrschen können;
- was nützt eine Regelung, wenn sie nicht durchgesetzt wird?
Leidtragende wird die bemannte Luftfahrt sein, sie wird erhöhten Risiken ausgesetzt. Leidtragende werden aber auch die gewerbetreibenden Unbemannten sein. Weil sie sich ans Gesetz halten wollen/müssen um die Firma nicht zu gefährden. Sie werden den Mehraufwand leisten. Hobbyisten die sich jedoch nicht daran halten, nehmen ihnen Aufträge weg und sorgen mit riskanten Einsätzen für immer restriktivere Regeln.
So nicht!
Wie sehen die neuen Regeln aus?
Im Moment sind die Regeln lediglich ein Prototyp, das heisst, sie können noch ändern. Doch zuviel sollten sich die Stakeholder von Hersteller über Modellflieger bis zu “richtigen” Fliegern nicht versprechen, zu tief sind einige Pfeiler eingeschlagen. Deren drei um genau zu sein: die (Risiko)-Kategorien: Open, Specific und Certified.
Certified - der Begriff legt es nahe - ist für zertifizierte Luftfahrzeuge, zertifizierte Operationstypen und zertifizierte Piloten. Die Anforderungen sind vergleichbar mit der bemannten Luftfahrt. Dafür gelten die geringsten Einschränkungen im Betrieb. Welche, das ist noch nicht klar. Duch zumindest wird der Pilot ein Zertifikat besitzen und vorweisen können.
Specific ist die grosse unbekannte Kategorie. Auf jeden Fall ist diese mit einer Bewilligung verknüpf. Diese wird ausgestellt, wenn mit den Risiken entsprechend umgegangen wird. Das heisst, je höher das Risiko, desto mehr Auflagen müssen erfüllt werden. Hierzu hat die JARUS einen ausgeklügelten Prozess (SORA - Specific Operation Risk Assessment) erarbeitet, der einen SAIL (Specific Assurance and Integrity Level) ausspuckt. Darauf basierend müssen Bedingungen erfüllt werden, die je nach Level höher (robuster) sind. Dies ist für die Durchsetzungsbehörden allerdings weniger von Belang, der Pilot hat entweder eine Bewilligung oder nicht. Und wenn er sie hat, wird auch drinn stehen, welche Operationen und Flüge damit legal durchgeführt werden können.
So weit so gut, oder schön wars bis hierhin. Die letzte und in dem Prototypen am umfangreichsten beschrieben Kategorie ist die Open Category. Die offene Kategorie also. Offen aber nicht im Sinne, dass alles erlaubt ist. Nein. Offen, weil sie keine Bewilligung benötigt. Dafür gibt es zahlreiche Unterkategorien und Einschränkungen. Immerhin, alle Luftfahrzeuge dieser Kategorie benötigen ein CE-Zertifikat. Dies beschränkt die Wahl des Modells auf grosse Hersteller, ausser...
A0 - das Spielzeug
Das CE-Zertifikat wird in dieser Kategorie doch nicht benötigt, wenn das Luftfahrzeug
- weniger als 250g wiegt;
- langsamer als 15m/s fliegt;
- maximal 50m über Grund fliegen kann (nicht darf!);
- maximal 100m vom Piloten wegfliegt, ausser er fliegt mit einer Videobrille oder einer sogenannten Follow-me-Drohne und garantiert selbst eine sichere Distanz zu Personen und Sachen.
A1 - das grosse Spielzeug
Hier gibt es keine Ausnahme zum CE-Zertifikat, dafür andere Einschränkungen wie
- sichtbare Registrierungsmarke;
- maximal 50m über Grund fliegen;
- maximal 100m vom Piloten wegfliegen, ausser man fliegt mit einer Videobrille oder einer sogenannten Follow-me-Drohne und garantiert selbst eine sichere Distanz zu Personen und Sachen;
- und der Pilot muss mindestens 14 Jahre alt sein.
A2 - der kleine Profi
Selbstverständlich nur mit CE-Label, zusätzlich mit einem elektronischen Identifikationssystem und folgenden Einschränkungen
- sichtbare Registrierungsmarke;
- maximal 50m über Grund;
- nur auf Sichtweite;
- nicht näher als 50m an Personen
- ein nicht abschaltbares System zur geografischen Limitierung des Fluges (Geofence)
- und der Pilot muss mindestens 14 Jahre alt sein sowie nachweisen, dass er mit dem Fluggerät vertraut ist.
A3 - der grosse Profi
Genau, immer noch CE-Label, ebenfalls das elektronische Identifikationssystem und
- sichtbare Registrierungsmarke;
- maximal 150m über Grund;
- nur auf Sichtweite, optional auch durch einen Beobachter;
- nicht näher als 20m an Personen wenn es ein Multicopter ist, in allen anderen Fällen nicht näher als 50m;
- ebenfalls ein System zur geografischen Limitierung des Fluges (Geofence);
- und der Pilot muss neben den 14 Jahren zusätzlich theoretisches Wissen und praktisches Können nachweisen.
Ist das alles?
Nein, selbstverständlich nicht. Doch weitere Einschränkungen richten sich an die Hersteller und werden über das CE-Zertifikat sichergestellt. Auch sonst gibt es - wie heute - noch Nuancen. Wir verzichten der Einfachheit und des Umfangs halber und schlagen einen kurzen Test vor. Lesen Sie nochmals die Kategorien durch, prüfen Sie das Wetter draussen und schreiben Sie anschliessend auswendig die Einschränkungen jeder Kategorie auf. Wiederholen Sie den Test morgen und noch einmal in einer Woche. Die Auswertung überlassen wir Ihnen, denn nun stellen Sie sich vor, Sie sind Polizist und werden beauftragt einen Piloten ausfindig zu machen der im Quartier fliegt und im Streit mit einem Passanten ist, ober er fliegen darf oder nicht.
Sind diese Regeln zumutbar?
Wir sagen nein. Neben all der anderen Aufgaben und Gesetze die ein Hüter wissen und anwenden können muss, sind diese Regeln zu viel und zu unterschiedlich. Wenn die heutigen fünf Regeln schon nicht alle kennen, wie wird dann sichergestellt, dass die sechs unterschiedlichen Regeln der vier Kategorien alle kennen? Ganz zu schweigen davon, dass neben den Flugplätzen noch weitere Flugverbotszonen kommen werden.
Eine Vereinfachung muss her
Der risikobasierte Ansatz ist unumstritten. Jedoch plädieren wir für eine vierte Kategorie Toys (Spielzeuge) die der Open Kategorie A0 entsprechen soll. Die Open-Kategorie selbst soll auf die A3 beschränkt sein. Klar, die Anforderungen gerade im Hobby-Bereich sind höher, aber auch die Freiheiten. A propos Hobby. Für den Modellflug schlagen wir generell vor, dass diese in der Specific Category mit ein (oder mehreren) standardisierten Szenarien operieren, also bewilligt. Diese sollen/dürfen einmalig Aufwand verursachen und Geld kosten, sollen anschliessend aber auch eine Freiheit erlauben, wie sie heute auf den Modell- und Hangflugplätzen gelten. Registrierte Piloten sollen ihren Lieblingswaldrand ebenfalls für kleines Geld bewilligt bekommen.
Je mehr über standardisierte Bewilligungen operiert wird, und je weniger sich die nicht bewilligungspflichtigen Operationen unterscheiden, desto eher können diese Regeln durchgesetzt werden. Und dies dient letzten Ende allen: den Frauen und Mannen in der Luft, den unbeteiligten am Boden aber auch den Herstellern, Hobbyisten und nicht zuletzt den gewerbetreibenden Pilotinnen und Piloten unbemannter Luftfahrzeuge.
Ist diese Vereinfachung realistisch? Leider nein, es sei denn, dass die Durchsetzungsbehörden, Polizeiverbände und weitere interessierte Gruppierungen sich jetzt melden und eine weitere schlagkräftige, behördliche Lobbygruppe bilden und das BAZL, die EASA und die JARUS auf die Schwierigkeiten der Durchsetzung hinweisen.
Informationen über UAW.aero
UAW.aero bezweckt, die Interessen der gewerblichen Operatoren und Piloten sowie Hersteller gewerblicher unbemannter Luftfahrzeuge zu wahren sowie deren Existenz und Betrieb zu sichern.
UAW.aero sucht diesen Zweck u.a. zu erreichen durch :
- Vertretung der Mitglieder gegenüber Behörden, Organisationen, Privaten und Medien;
- Verbindung der Mitglieder zu anderen Organisationen der Luftfahrt
- Sammlung und Weitergabe von Dokumentationen und Informationen;
- Mitarbeit bei der Gestaltung der Luftfahrtgesetzgebung und -politik;
- Orientierung der Öffentlichkeit über Aufgaben und Bedürfnisse der unbemannten Luftfahrt.
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Geschäftsführer
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