Neues Steuerschlupfloch für Kriegsgewinnler und nationalegoistische Umsetzung der OECD-Mindeststeuer
(Bern)(PPS) Die Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N) beschloss mit der Einführung der Tonnage Tax heute ein neues Steuerschlupfloch für Kriegsgewinnler und zementiert mit ihrem Entscheid zur Mindeststeuer die nationalegoistische Schweizer Tiefsteuerpolitik für multinationale Konzerne.
Die WAK-N hat die Einführung einer «Tonnage Tax» für Frachtschiffe beschlossen, die von der Schweiz aus gesteuert werden. Mit diesem neuen Sondersteuerregime werden Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften von multinationalen Konzernen in der Schweiz nicht mehr gemäss der normalen Gewinnsteuer für Unternehmen besteuert, sondern erhalten eine Pauschalbesteuerung: Ausschlaggebend für die Besteuerung soll künftig nicht mehr der erzielte Gewinn aus dem Transportgeschäft sein, sondern die Ladekapazität der Schiffe, die eine Schifffahrtsgesellschaft betreibt. «Das widerspricht allen Grundsätzen einer fairen Unternehmensbesteuerung», sagt Dominik Gross, Experte für internationale Steuerpolitik bei Alliance Sud. «Auf uns Normalbürger:innen übertragen würde das bedeuten, dass wir keine Einkommenssteuer mehr bezahlen würden, sondern das Volumen unseres Portemonnaies ausschlaggebend dafür wäre, wie viel Steuern wir bezahlen.»
Kein Wunder, war auch der Bundesrat lange skeptisch, ob die Einführung der Tonnage-Steuer dem Grundsatz in der Bundesverfassung entspricht, wonach Steuerpflichtige gemäss ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden müssen. Zwei verschiedene Rechtsgutachten kamen in dieser Frage zu unterschiedlichen Schlüssen. «Für eine Mehrheit der WAK-N war dieser Zweifel an der Verfassungskonformität der Tonnage-Steuer offenbar kein Problem», so Dominik Gross. Dazu kommt, dass nicht nur Schifffahrtsgesellschaften von diesem Steuerprivileg profitieren werden, sondern auch Schweizer Rohstoffhändler, die die Frachtschiffe, die ihre Handelsgüter transportieren, oft selbst betreiben. Ausgerechnet jenen Konzernen, die derzeit «dank» dem Krieg in der Ukraine und der entsprechenden Rohstoff-Knappheit Rekordgewinne schreiben, will eine Mehrheit der WAK-N also nun noch zusätzliche Steuergeschenke machen. Dominik Gross: «Die Steuerbelastung dieser Firmen wird damit auf unter 10% ihrer Gewinne sinken – während andere Länder über höhere Steuern für diese Firmen diskutieren.» Alliance Sud wird sich aus diesen Gründen in der Wintersession dafür einsetzen, dass der Nationalrat gar nicht erst auf diese Vorlage seiner Wirtschaftskommission eintritt.
Weiter hat die WAK-N ihren Umsetzungsvorschlag der OECD-Mindeststeuer beschlossen. Sie will diese mit einer nationalen Ergänzungssteuer (NES) umsetzen. Obwohl ein wesentlicher Teil der Gewinne, die mit der NES höher besteuert werden können (15%), aus dem Ausland und v.a. auch aus dem globalen Süden stammen, sollen sämtliche neuen Steuereinnahmen gemäss dem Willen der WAK-N in der Schweiz bleiben. «Die Mitglieder der Wirtschaftskommission foutieren sich völlig um die Tatsache, dass ärmere Länder dringend zusätzliche Steuereinnahmen bräuchten, um die Folgen der Pandemie, der Ernährungs-, Klima- und Schuldenkrise zu bekämpfen», sagt Dominik Gross. «Und dies, obwohl das Tiefsteuergebiet Schweiz als einer der wichtigsten Standorte für multinationale Konzerne weltweit stark mitverantwortlich ist, dass Konzerne ihre Gewinne nicht dort versteuern, wo sie erwirtschaftet werden, sondern dort, wo sie dafür am wenigsten Steuern bezahlen.» Für Alliance Sud ist dies inakzeptabel. Das Plenum des Nationalrats muss Massnahmen definieren, mit denen auch die Herkunftsländer jener Gewinne, die in der Schweiz ab 2024 höher besteuert werden sollen, von der Mindeststeuer profitieren.
Alliance Sud
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Für weitere Auskünfte: Dominik Gross, Experte Steuerpolitik Alliance Sud, dominik.gross @ alliancesud.ch