Die «globale Steuerrevolution» wird ein Sturm im Wasserglas
(Bern)(PPS) Jetzt wird die OECD endlich konkret: Heute treffen sich die Vertreter:innen der 140 an den Verhandlungen beteiligten Länder, um zu entscheiden, wie sie die neue Mindeststeuer für Konzerne konkret umsetzen wollen und wie ein kleiner Teil der exorbitanten Gewinne von Digitalkonzernen fairer verteilt werden soll. Bereits jetzt ist klar: Die Resultate sind aus entwicklungspolitischer Sicht enttäuschend, das Steuerparadies Schweiz kommt hingegen glimpflich davon.
In dieser Reform («BEPS 2.0 / Base Erosion and Profit Shifting») geht es einerseits um die Umverteilung von Konzerngewinnen von den Sitzstaaten in die Marktländer der Konzerne (Säule 1) und andererseits um die Einführung einer transnationalen effektiven Mindeststeuer für grosse multinationale Unternehmen (Säule 2). Trotz dieser vielversprechenden Ansätze bleibt die vielbeschworene «Steuerrevolution» aus.
«BEPS 2.0 ist hauptsächlich aus zwei Gründen mangelhaft», sagt Dominik Gross, Experte für internationale Steuerpolitik bei Alliance Sud. «Erstens sind die gesamte Rohstoffindustrie und der Finanzsektor aus der 1. Säule ausgenommen und es wird nur ein sehr kleiner Teil der Gewinne überhaupt umverteilt. Zweitens ist der vorgesehene Mindeststeuersatz von 15% in der Säule 2 viel zu tief angesetzt.» Länder mit vielen Konzernhauptsitzen wie die Schweiz können selbst entscheiden, ob sie die neue Mindeststeuer einführen wollen, umgekehrt bleibt der globale Süden einmal mehr auf der Strecke. Afrikanische, lateinamerikanische und andere Entwicklungsländer haben in der Regel Steuersätze von 25% oder 30%. Vor allem für Rohstoffkonzerne lohnt es sich deshalb weiterhin, ihre Gewinne in die Schweizer Konzernzentralen zu verschieben.
Ländern mit tiefen und mittleren Einkommen im unteren Bereich entgehen gemäss einer Berechnung der Ökonomen Petr Janský und Miroslav Palanský (2019) durch Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne jährlich Steuereinnahmen in der Höhe von 30 Milliarden Dollar. Umgekehrt generiert die Schweiz gemäss einer Gruppe von ÖkonomInnen um den Steuerexperten Gabriel Zucman 38% ihrer gesamten Gewinnsteuereinnahmen mit Gewinnverschiebungen aus anderen Ländern – diese summieren sich auf über 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Davon wird die Schweiz kaum etwas abgeben müssen.
Dominik Gross: «Wer sich in der Schweiz für eine weltweit gerechtere Steuerpolitik und einen Paradigmenwechsel im hiesigen Tiefsteuergebiet einsetzen will, kann sich nicht darauf verlassen, dass die OECD die Probleme von aussen her löst. Gefragt sind jetzt die fortschrittlichen Kräfte in der Schweizer Politik.» Sie können sich für die Einführung eines öffentlichen Country-by-Country-Reportings (CbCR) einsetzen, das die Steuertransparenz für multinationale Konzerne in der Schweiz verbessert. Ausserdem sollten sie vom Bundesrat verlangen, dass er sich auf dem internationalen Parkett für eine stärkere Rolle der UNO einsetzt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Länder des Südens ihre Interessen bei der zukünftigen Gestaltung eines faireren internationalen Steuersystems gleichberechtigt einbringen können.
Für weitere Informationen: Dominik Gross, Experte für internationale Steuerpolitik bei Alliance Sud, dominik.gross @ alliancesud.ch.
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