Anzahl und Dimension heutiger Wildnisgebiete sind ein Armutszeugnis

Anzahl und Dimension heutiger Wildnisgebiete sind ein Armutszeugnis
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Jan Gürke

(Basel/Biel) Ursprüngliche Lebensräume, in denen sich die Natur frei entwickeln kann, sind entscheidend für den Erhalt der bedrohten Biodiversität, für die Forschung, aber auch als Erholungsraum. An der heutigen Wildnisfachtagung diskutierten 70 Fachleute aus Naturschutz, Behörden und Wissenschaft darüber, was es braucht, um die letzten grossen naturnahen Landschaften der Schweiz zu bewahren und «wilde Ecken» im Siedlungsraum zu fördern.

«Es braucht einen besseren Schutz der verbleibenden grossen, ursprünglichen Naturlandschaften in der Schweiz», fasst Jan Gürke die Erkenntnis und Forderung der rund 70 Fachleute zusammen, die heute in Biel die Zukunft der Schweizer Wildnis diskutiert haben. Der Leiter der aktuellen Pro Natura Wildnis-Kampagne verweist auf die diversen Erschliessungsprojekte für Tourismus und Energiegewinnung die aktuell die letzten Wildnislandschaften bedrohen. «Es ist ein Armutszeugnis, dass der Schweizerische Nationalpark das einzige grosse geschützte Wildnisgebiet der Schweizer Alpen ist. Um die akute Biodiversitätskrise abzuwenden, braucht es unbedingt mehr solcher Gebiete mit einem umfassenden, langfristigen Schutz». Dieser Meinung sind nicht nur die anwesenden Expertinnen und Experten sondern auch über 1000 ihrer Kollegen, die letztes Jahr an einer Befragung zum Thema «Wildnis» teilgenommen haben.

Ein Netz naturnaher Räume

Gleichzeitig sind auch kleine «wilde Ecken» mit freier Naturentwicklung im Siedlungsgebiet, wichtig, wie André Stapfer, Mitglied der wissenschaftlichen Fachgruppe Ökologische Infrastruktur in seinem Vortrag betont. «Sie dienen als Trittsteine, damit schweizweit ein Netz naturnaher Räume entstehen kann». In einem Umfeld, in dem Wälder oft auf ihre Produktions- und Schutzfunktion reduziert werden, müsse auch der ökologische Wert für bedrohte Arten anerkannt werden, fordert Thibault Lachat, Professor an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften. «Gerade für unser Tier des Jahres, den Gartenschläfer, sind wilde Ecken und Wälder überlebenswichtig», unterstreicht Sara Wehrli von Pro Natura, die die neue Verbreitungskarte aus dem laufenden Citizen-Science Projekt vorstellt.

«Kleine und grosse Wildnisgebieten leisten auch einen Beitrag an die Gesundheit der Bevölkerung», ergänzt Nicole Bauer von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Sophie Chanel, Leiterin des Parc Naturel du Jorat zeigt, wie es im preisgekrönten Park vor den Toren Lausannes gelingt, Wildnisschutz und Erholungsbedürfnis zu verbinden. Dass die Bedürfnisse der Bevölkerung für den Schutz der Wildnis auch in den Alpen zentral sind, darüber schliesslich berichtet Sebastian Moos von Mountain Wilderness Schweiz. Anhand des Projekts «Wildnis-Dialog Kandersteg» erläutert er, wie die Wertschätzung für Wildnis im Berggebiet gefördert werden kann. Eine Wertschätzung, die sich nach der hochkarätigen Tagung in Biel hoffentlich bald auch in Politik und Praxis niederschlägt. 

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